Einem falschen Gerücht folgend, dass der neue Bond-Film auf den vorherigen Teilen aufbaut, habe ich mir die letzten zwei Daniel-Craig-Bonds noch einmal angesehen.
Es war unnötig, wie sich herausstellte. Um "Skyfall" sehen zu können, muss man die Vorgänger nicht kennen.
Es war dennoch gut, dass ich es getan habe, ließ es mich doch erkennen, wie haushoch der neue Bond-Film seinen Vorgängern überlegen ist. Es ist sogar so, dass "Casino Royal" angesichts von "Skyfall" hoffnungslos überschätzt wirkt, während die vernichtenden Kritiken zu "Ein Quantum Trost" noch viel zu zurückhaltend waren.
"Casino Royal" hatte einen Bösewicht, der das Geld seiner Kunden vermehrt, indem er Anschläge verübt, die den Aktionkurs beeinflussen. Ein solcher Anschlag wird von Bond verhindert, woraufhin der Bösewicht versucht, das Geld in einem Pokerspiel zurückzubekommen. Das soll Bond im Auftrag der britischen Regierung verhindern, weil … Ja, weil ein Bösewicht halt nicht viel Geld haben sollte. Das war die ganze Motivation für Bond in "Casino Royal". Es galt nicht, einen besonders bösen Plan des Bad Guy zu verhindern oder Menschenleben zu retten ... Nein. Der ist Mann ist böse, also sollte er kein Geld haben.
Wenn dies das Ziel des MI6 ist, dann sollten sie wohl dringend mehr Personal einstellen.
Nachdem dann Bond in diesem Film mehr Glück als Verstand hat und das Geld mit einem Royal Flush gewinnt (während alle anderen gerade in diesem Moment auch ein gutes Blatt haben und "All in" gehen), reißt sich das gewonnene Geld eine mysteriöse Geheimorganisation unter den Nagel.
Das wars.
In der Fortsetzung "Ein Quantum Trost" will Bond dieser Geheimorganisation auf die Spur kommen, bleibt aber bei einem einzelnen Bösewicht hängen, der irgendwie nicht vorhandenes Öl verkaufen will, worauf irgendwie alle Nationen reinfallen, nur Bond nicht. Ein grauenhafter Film, und am Ende wird der Bösewicht in einer Wüste ausgesetzt.
Das wars. Man sah noch nicht einmal den Tod des völlig uninteressanten Bad Guy.
Ich hatte wirklich vergessen, wie schlecht, langweilig und unspektakulär die letzten zwei "Bond-Filme" gewesen sind.
All das zusammengenommen führt mich zu sieben Punkten, die zeigen, warum der neuste Bond-Streifen "Skyfall" so vieles richtig macht.
1. Eine Handlung, der man folgen kann
Dem unsäglichen Michael-Bay-Trend im Kino zuwider, wonach der Zuschauer sich nicht für eine Handlung interessiert, solange es auf der Leinwand nur lauter Rummst als im Popcorn-Eimer, leistet sich "Skyfall" tatsächlichden den Luxus einer Handlung, und zwar sogar einer Handlung, der man folgen kann. Und zwar nicht deshalb, weil sie so unsagbar dünn bis nicht vorhanden ist, sondern weil sie sich logisch entwickelt. Man weiß, wer was will, wer warum wohin geht und was in der jeweiligen Actionszene gerade passiert. Ein großes Plus, nicht nur im Vergleich zu "Ein Quantum Trost", sondern im Vergleich zu vielen Blockbuster-Schinken.
2. Keiner mag Bond
Es wird ja viel darüber geschrieben, was für ein genialer Schachzug es war, aus Q einen Computernerd zu machen. Ich halte das eher für so naheliegend, dass es gar nichts anderes hätte sein können. Viel wichtiger aber scheint mir: Es ist ein arroganter Computernerd, der auf Bond herabsieht. Und zwar deshalb herabsieht, weil die Qualitäten Bonds viel austauschbarer sind als die eines Computernerds. Und genau das macht es witzig und originell. Bond lebte schon immer davon, dass ihn niemand bewunderte. M behandelte ihn stets abfällig, Moneypenny riss ihre Witze, und Q war immer übel gelaunt und verärgert, weil Bond seine Geräte demolierte. Hier haben wir einen Computernerd, der damit prahlt, noch im Schlafanzug die Bösewichter der Welt bekämpfen zu können. Gefällt mir.
3. Judi Dench
Ich finde Judi Dench ohnehin grandios, aber für diesen Film hätte sie im Grunde einen weiteren Oscar verdient. Sie war in jeder Szene einfach nur umwerfend. Es ist unglaublich, wie es ihr gelingt, eine verletzliche Seite von M zu zeigen, ohne die Figur zu demontieren.
4. Der Bösewicht und Bond
Natürlich reden immer alle vom Bond-Girl, aber die wahren Redevous hatte Bond stets mit dem Bad Guy. Die Frauen waren nur Spielzeug, aber mit dem Bad Guy hat sich Bond angefreundet. In den guten Bond-Filmen hat der Bad-Guy immer wieder Bond umworben, er hat versucht, ihn für seine Welt zu gewinnen. Meist gab es irgendein kultiviertes Dinner zwischen Bond und dem Bad Guy, bei dem beide wissen, wer der andere ist, aber gemeinsam ein Spiel spielen, um jeweils die Schwachstellen des anderen auszuloten. Bad Guy und Bond sind in einem Bondfilm meist die einzigen Figuren, die einander wertschätzen. Bond, indem er die Gefährlichkeit des Bad Guys durchschaut, und der Bad Guy, indem er Bond oft aufwendig bekämpft. Zu dieser Tradition kehrt dieser Film nicht nur zurück, er stellt sie sogar auf sehr amüsante neue Stufe.
5. Spiegelbilder
Der Film erinnert zum Teil an den grauenhaften Film "Star Trek: Nemesis", was an dem identischen Drehbuchautor liegen mag. Bei "Star Trek: Nemesis" trifft Picard auf seinen Klon. Er soll sich damit selbst hinterfragen, weil er sieht, was aus ihm unter anderen Umständen hätte werden können. Es hat bei "Nemesis" nicht funktioniert. Der Film war ein dummdreistes Sammelsurium an Unlogik und Pseudo-Philosophie. (Und ich verweise erneut auf die treffende Analyse hier.) In "Skyfall" funktioniert jedoch die - oberflächlich betrachtet - sehr ähnliche Story. Hier wird Bond mit einem Agenten konfrontiert, der erkannte, dass die Loyalität, die er M und seinem Land gegenüber erbracht hat, einseitig war, und der darüber den Verstand verlor. Es funktioniert auch, weil es das Schicksal von Bond und von M zeigt, die beide nur die Wahl haben: Sich verbittert und gealtert zurückziehen, oder weiter kämpfen und weiter sein Bestes zu geben, obwohl man nicht auf eine Entlohnung oder dankbare Anerkennung hoffen darf.
6. Bonds Jugend
Ausflüge in das Innenleben oder die Vergangenheit von Figuren enden meist verheerend, weil sie oft kitschig und banal sind. Hier funktioniert es überraschend gut. Bond kehrt zu seinem Elternhaus zurück, und genau hier wird der Film finster, trist und grau. Als Symbol für Bonds verkümmertes Innenleben ist die Szene natürlich platt, sie funktioniert aber im Rahmen eines Bond-Films sehr gut, weil sie Bilder zeigt und nicht irgendwelche pseudo-psychologischen Erklärungen liefert.
7. Altes und Neues
Bond lebte schon immer davon, dem Zuschauer neueste Techniken vorzuführen. Zugleich aber ist Bond etwas sehr Klassisches, etwas britisch Konservatives. Genau an diesem Widerspruch beißen sich manche Bond-Filme die Zähne aus. Soll die Modernisierung vorangetrieben werden? Dann ist es irgendwann kein echter Bondfilm mehr. Oder macht man einen auf retro? Dann ist es auch kein echter Bondfilm mehr, denn Bond-Filme waren früher nicht retro, sie blickten nach vorne. In diesem Film werden beide Seiten gekonnt gegeneinander ausgespielt, ohne sich zu behindern. "Skyfall" findet deshalb zu einer erstaunlichen Balance aus Insider-Gags, Luxus, Computertechnik-Unfug und klassischen Gadgets.
Besser hätte man es wahrscheinlich nicht machen können.
Mittwoch, 14. November 2012
Dienstag, 6. November 2012
Original zuckerloser Zucker
Wegen einer Erkältung wollte ich mir ganz normale Kräuterbonbons holen. Aber natürlich gibt es die nur zuckerfrei. Weil das "gesünder" ist.
Der Zucker wurde derart dämonisiert, dass selbst jutetragende Öko-Fanatiker, denen ja sonst nichts "natürlich" genug sein kann, eine zuckerfreie Chemiekeule dem echten Zucker vorziehen. (Und natürlich gefällt das auch der Industrie, denn obwohl chemische Süßstoffe wesentlich billiger sind und Light-Produkte eigentlich viel günstiger sein müssten als die Originale mit Zucker, werden diese natürlich zum gleichen Preis angeboten, immerhin will man seinem Kunden ja zeigen, wie "ähnlich" und "gleichwertig" beide Varianten sind.)
Wenn dann allerdings sogar der "original Kräuterzucker" als "zuckerfrei" angepriesen wird, kann man wirklich nur noch den Kopf schütteln. Die typischen Ricola-Bonbons wurden in den 1940er Jahren auf den Markt gebracht. Künstliche Süßstoffe gab es damals noch nicht. Und hätte es sie gegeben, hätte sich kein Mensch dafür interessiert. Denn damals wusste man noch den Wert des Zuckers zu schätzen.
Witzigerweise hat das Monell-Zentrum für Geschmacksforschung in Philadelphia herausgefunden, dass der eigentliche Wirkstoff eines "Erkältungssaftes" der Zucker ist. Reiner Zucker senkt den Hustenreiz um 45 Prozent, Mentol um 25 Prozent (weshalb Mentol-Zigaretten gerne als Einstiegs-Zigarrette genommen wurden). Dagegen verblassen zum Teil andere, süchtig machenden Wirkstoffe wie Codein oder Dextromethorphan, die sich in Hustensäften befanden oder heute noch befinden. Aber obwohl Hustensäfte seit den 1980er Jahren aufgrund dieser Stoffe sogar als Heroin-Ersatz mitbraucht wurden und werden, ging es den Verantwortlichen vor allem darum, dass sie "zuckerfrei" werden.
Der Zucker wurde derart dämonisiert, dass selbst jutetragende Öko-Fanatiker, denen ja sonst nichts "natürlich" genug sein kann, eine zuckerfreie Chemiekeule dem echten Zucker vorziehen. (Und natürlich gefällt das auch der Industrie, denn obwohl chemische Süßstoffe wesentlich billiger sind und Light-Produkte eigentlich viel günstiger sein müssten als die Originale mit Zucker, werden diese natürlich zum gleichen Preis angeboten, immerhin will man seinem Kunden ja zeigen, wie "ähnlich" und "gleichwertig" beide Varianten sind.)
Wenn dann allerdings sogar der "original Kräuterzucker" als "zuckerfrei" angepriesen wird, kann man wirklich nur noch den Kopf schütteln. Die typischen Ricola-Bonbons wurden in den 1940er Jahren auf den Markt gebracht. Künstliche Süßstoffe gab es damals noch nicht. Und hätte es sie gegeben, hätte sich kein Mensch dafür interessiert. Denn damals wusste man noch den Wert des Zuckers zu schätzen.
Witzigerweise hat das Monell-Zentrum für Geschmacksforschung in Philadelphia herausgefunden, dass der eigentliche Wirkstoff eines "Erkältungssaftes" der Zucker ist. Reiner Zucker senkt den Hustenreiz um 45 Prozent, Mentol um 25 Prozent (weshalb Mentol-Zigaretten gerne als Einstiegs-Zigarrette genommen wurden). Dagegen verblassen zum Teil andere, süchtig machenden Wirkstoffe wie Codein oder Dextromethorphan, die sich in Hustensäften befanden oder heute noch befinden. Aber obwohl Hustensäfte seit den 1980er Jahren aufgrund dieser Stoffe sogar als Heroin-Ersatz mitbraucht wurden und werden, ging es den Verantwortlichen vor allem darum, dass sie "zuckerfrei" werden.
Abonnieren
Posts (Atom)