Mittwoch, 29. September 2010

The Incident

Damon Lindelof, Producer von "Lost", schrieb auf Twitter: "Ich denke, THE EVENT ist großartig, aber wenn 24 und LOST wirklich ein Kind bekämen, würde es beide Eltern hassen und regelmäßig foltern."

Nun also ein weiterer "Lost"-Klon auf NBC. Leider einer, der "Lost" auch nicht begriffen hat. Denn er springt wild durch die Zeit, wie die "Lost"-Insel, nachdem das Rad aus der Achse gesprungen ist. Es gibt haufenweise Rückblicke, nur sind sie hier reiner Selbstzweck. Was bringt es denn, uns zwei Folgen lang ein verliebtes Pärchen zu zeigen, und dann in einer Rückblende die Szene zu bringen, wie sie sich in einem Schwimmbad kennenlernten.

Bei "Lost" waren die Rückblicke nicht einfach nur Rückblicke. Sie erzählten eine eigene Story. Und sie veränderten oftmals die Gegenwart, wie wir sie sahen. Sie halfen uns, die aktuellen Handlungen der Figuren besser (oder manchmal auch weniger) nachzuvollziehen. Bei einer Szene wie der im Schwimmbad fragt man sich allerdings: Das war's?

Bei "Lost" hatten wir Figuren, die nicht wussten, was los ist. Und der Zuschauer konnte mit ihnen das Rätsel erkunden. Meist wussten wir als Zuschauer sogar ein wenig mehr als die Figuren. In "The Event" haben wir jedoch fast nur Figuren, die sehr wohl wissen, was los ist. Nur wir Zuschauer wissen es nicht. Wir werden gezielt durch eine wirre Erzählweise und das Weglassen von Szenen im Dunkeln gehalten.

Ob das auf Dauer fesselt? Ich denke es nicht.

Ich habe mal von einem Mann gelesen, der aus dem dritten Stock eines Hauses fiel, dabei aber so glücklich stürzte, dass er völlig unverletzt aufstand. Die Geschichte wurde zur Sensation und machte den Mann berühmt. Die ganzen "Lost"-Nachmacher kommen mir vor, als würden sie jetzt auch alle aus dem dritten Stock eines Hauses springen, in der Überzeugung, ihnen würde auch nix passieren, so nach dem Motto: Bei "Lost" hat es ja auch gut geklappt.

Dienstag, 28. September 2010

Jud Süß - Film ohne Beef

In den 1980er Jahren machte die US-Ham- burger-Kette "Wendy's" durch einen Werbefeldzug einen Satz sehr populär: "Where's the beef?" In dem Spot kaufen drei ältere Damen einen Burger, bei dem zwar das Brötchen sehr groß, der Fleischanteil aber sehr gering ist. Eine der dreien ruft daher immer nur: "Where's the beef?". Der Satz ging in die amerkanische Popkultur ein und wurde bald auch bei politischen Diskussionen genutzt.

Leider kam mir genau dieser Satz bei dem Film "Jud Süß - Film ohne Gewissen" in den Sinn. Darin geht es um dem antisemitischen Hetzfilm "Jud Süß", der von den Nazis in Auftrag gegeben wurde und der 1940 in ganz Europa mit großem finanziellen Erfolg gezeigt wurde.

"Jud Süß - Film ohne Gewissen" erzählt die Geschichte des Hauptdarstellers Ferdinand Marian, der sich zunächst gegen die Rolle wehrt, sie dann gezwungenermaßen annimmt, dabei noch in dem Glauben, die Hassfigur durch eine menschliche Darstellung liebenswert machen zu können, was ihm jedoch letztlich misslingt. Trotz mehrerer Möglichkeiten, Deutschland zu verlassen, bleibt Ferdinand Marian, lässt sich feiern und hofieren, selbst dann noch, als seine Frau von den Nazis abgeholt und ermordet wird. Kurz nach Ende des Krieges begeht er Selbstmord.

Der Film ist vor allem in den Szenen, die schockieren sollen, unglaublich platt. Angesichts des Regisseurs kein Wunder. Wer einen solchen Stoff verfilmt und tatsächlich glaubt, er müsse die Wirklichkeit verfälschen, um mehr Dramatik zu entwickeln, der hat diesen Stoff einfach nicht verstanden. Was kann wohl noch dramatischer sein als der Fakt, eine Hassfigur in einem Film gespielt zu haben, der dafür benutzt wurde, einen Völkermord von beispiellosem Ausmaß begehen zu können? Aber nein, hier musste man Ferdinand Marian noch eine halbjüdische Ehefrau andichten, die von den Nazis ermordet wurde. Es wurde hinzugedichtet, um den Stoff "dramatischer" zu machen.

Was für ein dummer Mensch kommt auf eine derart dumme Idee?

Was wäre gewesen, hätte man in "Schindlers Liste" der Hauptfigur Oskar Schindler eine jüdische Mutter angedichtet? Hätte der Film dadurch an Dramatik gewonnnen? Ganz sicher nicht. Er hätte an Dramatik verloren.

So auch hier. Der reale Ferdinand Marian hatte bis zum Ende des Kriegs keinerlei persönliche Nachteile. Er hatte Erfolg, glänzende Kritiken, körbeweise Fanbriefe, viele Angebote, sehr viel Geld ... Das, was der Film anrichtete, spielte sich woanders ab. Gerade dadurch aber hätte sein Gewissenskonflikt Dramatik entfalten können.

Man weiß in dem Film überhaupt nicht, worüber Ferdinand Marian gerade unglücklich ist. Ist er unglücklich darüber, was der Film "Jud Süß" anrichtet bzw. anzurichten hilft? Oder darüber, dass seine Frau abgeholt wurde. Hier wurde aus einem Täter mit Gewissenskonflikt ein hilfloses Opfer, für das kein Konfliktpotenzial mehr da ist. Genau dadurch verliert die Figur ihre spannende Ambivalenz.

Leider liefert der "meistdiskutierte Film" (so die Werbung) gar keinen Diskussionsstoff. Das hätten die Produzenten wohl gerne gehabt. Einen großen Skandal, in den die Zuschauer strömen.

Doch die meisten Kritiker diskutieren nicht, sie sind sich einig: Der Film ist über weite Strecken misslungen. Es ist bei einem derartigen Aufgebot an hervorragenden Darstellern (u.a. Tobias Moretti - sehr überzeugend als Ferdinand Marian, Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu - grandios als Joseph Goebbels, Armin Rohde) und bei einem derart interessanten Filmstoff schon fast ein Kunststück, einen so witzlosen Film abzuliefern. Bei der Premiere auf der Berlinale 2010 erntete der Film sogar Buhrufe bei der Pressevorführung. Verrisse wie "überzeichnetes Melodram" (ZDF, aspekte) und "seltsam leer" (critic.de) treffen es.

Der Grund für das Scheitern liegt offensichtlich in der Person des Regisseurs Oskar Roehler, der bereits mit seinem völlig verhunzten Film "Elementarteilchen" bewiesen hat, dass er nichts von der Originalvorlage (dem Roman von Michel Houellebecq) begriffen hat. Besonders treffend schreibt "Der Standard": "Ein Drama, das sich durch Übertreibung widerlegt und eine Farce, die sich nicht weit genug vom Boden der Tatsachen entfernt."

Die Münchner Abendzeitung schrieb hingegen: "Hier geht es um Kino - saftiges, pralles, rückhaltlos unterhaltsames Kintopp. [Mit] perfidem Humor, deftigem Sarkasmus und emotionaler Dichte in den stillen, gefährlichen Szenen." Würde diese Kritik zutreffen - und man hätte aus dem Stoff einen solchen Film machen können - dann hätten wir hier vielleicht einen ähnlich stimmungsvollen Film wie den famosen "Inglourious Basterds" von Quentin Tarantino. In den besten Szenen des Films ist es dem Regisseur sogar gelungen, gewagtes Kino abzuliefern, und genau diese Szenen machen den Film dann sogar einigermaßen sehenswert. Doch dann verfällt der Film wieder in unglaublich selbstweinerliches Pathos, in plumpes Botschafts-Kino, das einfach nur falsch oder verkrampft wirkt.

Ansonsten gibt es über das Thema weitaus bessere Filme und auch bessere Bücher. Ganz empfehlenswert eine Dokumentation mit dem Titel Harlan - Im Schatten von Jud Süß. Ich sah vor einigen Jahren auf ARTE mal einen TV-Film mit dem Titel "Jud Süß – ein Film als Verbrechen?", der - trotz einiger Schwächen - sehenswert war. Beides sind Filme, die das "Spannende" an den historischen Fakten entdeckten, Filme, die gar nicht auf die Idee kamen, diesem Thema ein falsches (und weit weniger fesselndes) Melodram überstülpen zu müssen.

Donnerstag, 23. September 2010

Nix da von wegen "wir"

Die Bild-Zeitung verwendet ja immer gerne das Wort "wir". Das denken "wir Deutsche". Und dann erklärt mir die Überschrift, was "wir" zum Beispiel denken, wenn ein Mann wie Sarrazin in seinem Buch schreibt: "So spielen bei Migranten aus dem Nahen Osten auch genetische Belastungen, bedingt durch die dort übliche Heirat zwischen Verwandten, eine erhebliche Rolle und sorgen für den überdurchschnittlich hohen Anteil an angeborenem Schwachsinn und anderen Erbkrankheiten."

"Wir" sind bei BILD auch schon mal Papst!

Doch - oh Wunder! Heute lese ich als Schlagzeile (wie immer beim Vorbeigehen am "Automaten" bei der Hackerbrücke):

SO TEUER WIRD'S FÜR SIE ALS KASSENPATIENT!

Ach!

Nicht, "so teuer wird's für UNS als Kassenpatient!"?

Hmmm... Scheinen also nur finanziell gut ausgestattete Privatpatienten in der BILD-Redaktion zu sitzen.

Das erklärt natürlich, weshalb das "Sprachrohr für den kleinen Mann" zwar bei ausländerfeindlichen Parolen und Thesen recht laut "wir" brüllt, bei einer unverhohlenen Klientel-Politik von Schwarz-gelb aber doch lieber schweigt.

Dienstag, 21. September 2010

Überflüssig

"The Expendables" ist ein klassischer Actionfilm, mit einem eindimensionalen Bösewicht, rauen Kerlen, endloser Haudrauf- und Baller-Action, brummenden Motorrädern, Auto- und Flugzeug-Stunts, einem fiktiven Bananenstaat und einer gehörigen Portion Brutalität.

Das Problem ist nur: Inzwischen funktionieren fast alle Actionfilme nach dieser Schablone. Und selbst TV-Serien wie "24" bedienen sich dieser Zutaten.

Hier sehen wir erneut Stallone, Dolph Lundgren und Actionhelden wie Jet Li in den Rollen von gestern. Nur ist das Kino von gestern zugleich das Kino von heute, was wohl erklärt, weshalb dieser Film so erfolgreich läuft.

In "Der Spiegel" schreibt ein Rezensent, "The Expendables" sei ein "selbstreflexiver Film". Gerade dieses "Selbstreflexive" kam mir jedoch zu kurz. Natürlich kann man in den Sprüchen von Stallone und Co auch Kommentare über den eigenen Werdegang herauslesen, doch so gelungen wie in einer kurzen Szene, in der Stallone, Schwarzeneggar und Bruce Willis zusammen auftreten, ist das im Film nur selten. Stattdessen versuchte Stallone krampfhaft, dem Drehbuch immer mehr Schichten aufzudrücken, ohne dabei konsequent zu bleiben. Eine Schicht Selbstreflexion, dann eine Schicht Sozialkritik, dann eine Schicht Nostalgie...

Doch am Ende sind diese Schichten doch zu dünn, um diesem Film die herausragende Stellung zu verleihen, die er hätte haben können. Denn gerade das, was zum Beispiel ein Clint Eastwood grandios zellebriert - nämlich das Spiel mit der eigenen Legende - gelingt diesem Film nur in wenigen Ansätzen.

Letztlich gelang es Stallone in seinem jüngsten Rambo-Film und dem sechsten Teil der "Rocky"-Reihe viel besser, den selbst erschaffenen Charakter zu reflektieren und daher auf eine neue Ebene zu heben.

Am Ende bleibt daher doch nur ein reiner Schmarrenfilm mit hektisch geschnittene Kampf- und Actionszenen. Dagegen wäre nichts zu sagen, hätte man nicht das Gefühl, dass es im Kino zur Zeit gerade an solchen Filmen nicht mangelt.

Freitag, 17. September 2010

Ipad


Okay, ich gebe es zum. Vom Saulus zum Paulus. Ich habe nun einen iPad, und er ist genial!

Genial, genial, genial!

Dann habe mir heute das App "ArtStudio" geholt. Kostet nur 3,99 EUR. Und macht total Spaß. Das Ergebnis meiner ersten Stunde Finger-Painting seht ihr hier oben. (Und es macht wohl mehr Spaß, das Bild zu malen als es anzusehen.)

Dienstag, 14. September 2010

Ist der Ruf erst ruiniert ...

Also, eines muss man der BILD-Zeitung lassen: Da ich auf meinem morgentlichen Weg zur S-Bahn immer an einer BILD-Verkaufsbox vorbeikomme, ist die BILD-Zeitung nicht selten für mich der erste Anlass des Tages, um zu schmunzeln.

Gestern lautete die große, fette Schlagzeile der Bild nämlich:

PORNOGRAFIE
VERDIRBT UNSERE KINDER

(Darunter: Besorgte Minister-Gattin schlägt Alarm).

Das ist angesichts der vielen vulgären Sex-Inhalte der BILD-Zeitung ja schon Grund genug zum Schmunzeln, doch wirklich lachen musste ich, als heute, nur einen Tag später, die Schlagzeile von Seite 1 so lautete:

Kachelmann: SO WAR DIE
SEX-NACHT

Montag, 6. September 2010

Das weiße Band

"Das weiße Band" ist ein Film von Michael Haneke (Benny's Video, Funny Games), der uns in eine beklemmende Welt der absoluten Unterdrückung führt, eine Unterdrückung, die eine Atmosphäre schafft, in welcher der Unterdrücker selbst nicht mehr frei agieren kann. Eine Welt, in der alles Leidenschaftliche verboten ist, in der es unmöglich scheint, den elitären Ansprüchen der Unterdrücker zu genügen, um frei von Schuld zu leben. Wenn sich irgendwann doch aufgestaute Gefühle ausbrechen, dann äußern sie sich ausschließlich in gefühlskalter Grausamkeit.

Obwohl am Ende des Films viele Fragen offen sind, wird durch "Das weiße Band" doch vieles klar. Zum Beispiel, weshalb die Menschen mit so viel Begeisterung in den ersten Weltkrieg zogen, weil sie glaubten, dadurch aus einem Korsett ausbrechen zu können.

Doch wahrscheinlich tut eine so schlichte Interpretation einem Film unrecht, der gnadenlos die vielfältigen Möglichkeiten menschlicher Unterdrückung aufzeigt. Mit trostlosen Bildern und und zum Teil quälend langen Szenen, die einem noch lange in Erinnerung bleiben.

Der Film ist nicht ganz so grausam-radikal wie Hanekes Film "Funny Games", in dem er Gewalt als das darstellen wollte, was sie immer ist, als "nicht konsumierbar" (was leider auch in einem kaum konsumierbaren Film resultierte). Aber er weiß, wie er mit unerträglich langen Szenen dem Zuschauer das Gefühl gibt, der psychischen Grausamkeit der Figuren hilflos ausgeliefert zu sein.

Freitag, 3. September 2010

Deutschland liest sich blöd

Wenn die Deutschen auf etwas stolz sein können, dann darauf, dass sie es geschafft haben, nach einer der umenschlichsten Diktaturen der Weltgeschichte eine vorzeigbare Demokratie zu entwickeln. Es ist zwar haarsträubend, wenn man bedenkt, wie viele Millionen Menschen für diesen "Lernprozess" gestorben sind. Nichtsdestotrotz: Der Schritt in die soziale Demokratie wurde getan. Er wurde getan, weil ein ganzes Volk dies wollte.

Jahrzehnte später gelang es den Bürgern des damaligen Ostdeutschlands, sich dauerhaft aus einer politischen Diktatur zu befreien.

Man müsste meinen, dass ein Land wie Deutschland gelernt hat, wie man mit demagogischen Schwachköpfen umgehen muss, die Hetze gegen Minderheiten betreiben. Wie man die Thesen von Hetzern, die eine neue Rassenlehre unters Volk bringen wollen, im Keim erstickt. Wie man sie mit Missachtung straft.

Doch nichts dergleichen. Wir leben in einer Zeit, in der ein dummer Demagoge Teile seines unsäglichen Machwerks im "Spiegel" und in "Bild" abdrucken darf. Im aktuellen "Focus" (den ich gestern im Flugzeug kostenlos lesen durfte) wird an drei Stellen (im Vorwort, in einem Beitrag und in einem Essay) in den höchsten Tönen die "Kritikwürdigkeit" der Thesen dieses demagogischen Hetzers gelobt. Das Essay hat die bezeichnende Überschrift "Nachhilfe für Sozialromantiker".

Schön, wie viele Wörter inzwischen im deutschen Sprachgebrauch etabliert wurden, um soziales Denken in Misskredit zu bringen. Gutmensch, Sozialromantik, Wohlfahrtsstaat ...

Nachhilfe könnte ich allerdings wirklich gebrauchen. Ich würde nämlich gerne wissen, wieso die von der sogenannten "Finanzkrise" verursachte Schuldenlast fast ausnahmslos die Ärmsten der Armen tragen müssen, während bisherige und aktuelle Gewinner von Finanzspekulationen völlig unbehelligt bleiben.

Ich würde gern wissen, wieso die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge (einst bei 42 %, jetzt nur noch 25 %) unangetastet bleibt, während man den Heizungskostenzuschuss beim Wohngeld für Geringverdiener streicht. Dafür wurde die "Brennelementesteuer", die 2,3 Milliarden pro Jahr bringen sollte, verschoben. Die "Finanztransaktionssteuer" – sollte eigentlich ab 2010 kommen: ungewiss. Die bereits unter Schröder massiv gesunkenen Spitzensteuersätze: Unverändert. Einführung einer Vermögensteuer? Immerhin sind die Vermögen der "oberen zehn Prozent" trotz "Finanzkrise" massiv gestiegen! Aber nicht doch. Sowas wäre ja geradezu sozialistisch. Ist doch besser, wenn die Vermögenden ab und zu Allmosen an die Tafeln spenden. Rücknahme der völlig grundlosen Steuergeschenke an Hoteliers: Nicht daran zu denken.

Diese soziale Ungerechtigkeit ist so himmelschreiend, dass sie laut Umfragen inzwischen bereits vier von fünf Bundesbürgern klargeworden ist. Da kommt ein Buch, das in seinen Thesen von vererbbarer Dummheit schwafelt, natürlich genau richtig.

Denn: Wenn die Armen arm bleiben, liegt das nicht an sozialen Ungerechtigkeiten und mangelnden Bildungs-Chancen, die mehr und mehr forciert werden, sondern daran, dass die Armen eben faul und dumm sind und dann auch noch genetisch genauso faule und dumme Kinder zeugen. Denn, so besagtes Buch: Die Fetten sind fett, weil sie zu viel essen. Und die Armen sind arm, weil sie zu blöd und zu faul sind.

Die Reichen sind keineswegs in der Regel deshalb reich, weil sie Vermögen erben, das sich durch Zinsen ohne jegliches Zutun vermehrt. Nein. Sie sind es, weil sie so schlau und fleißig sind. So wie wohl der Autor dieses Buches selbst glaubt, schlau zu sein. Und wenn er - wie kaum ein anderer - durch Staatsgelder reich wurde, dann liegt das keinesfalls an seinem Parteibuch, sondern an seiner überragenden, durch deutschen Fleiß hochtrainierten Intelligenz.

Man müsste lachen, wenn es nicht so ärgerlich wäre. Wir haben hier ein Hetzbuch. Nichts anderes. Und Hetze hat noch nie geholfen, auch nicht, um irgendwelche angeblich "längst überfälligen" Diskussionen anzuregen.

Ich glaube übrigens nicht an vererbte Dummheit. Ich glaube aber daran, dass Dummheit über Bücher und Zeitschriften verbreitet werden kann. "Focus", "Spiegel" und "Bild" können sich also (wieder mal) gratulieren: Sie haben ein gutes Stück dazu beigetragen, Deutschland dümmer zu machen.

(Wer dieser ärgerlichen Angelegenheit doch noch was echt Witziges abgewinnen will, sollte hier klicken.)