Dienstag, 31. Juli 2012

John Carter - Zwischen zwei Flop-Erklärungen

Kürzlich sah ich erstmals den Film "John Carter" auf Blu-ray. Und natürlich kann man einen solchen Film nicht mehr unvoreingenommen sehen. "John Carter" ist inzwischen in erster Linie ein Film, der so gnadenlos floppte, dass daraufhin Rich Ross, Chef der Disney-Filmstudios, seinen Rücktritt bekanntgab.

In der "Star Trek: The Next Generation"-Folge "Peak Performance" (Galavorstellung) spielt der Androide Data mit dem zakdornianischen Meisterstrategen Sirna Kolrami eine Partie des Phantasie-Spiels Strategema. Und selbst Dr. Pulaski ist überrascht, als Data verliert. Data kommt nur schwer über seine Niederlage hinweg, denn er kann in seinen Analysen keinen Fehler entdecken. Daraufhin sagt Picard etwas sehr Kluges zu ihm: "Es ist gut möglich, keine Fehler zu machen und dennoch zu verlieren. Das ist kein Zeichen von Schwäche, das ist das Leben."

In unserer neo-liberal geprägten Welt, in der - trotz völlig unterschiedlicher Startpositionen - angeblich jeder seines Glückes Schmied ist, geriet diese banale Erkenntnis mehr und mehr in den Hintergrund, sie hat sich geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Vielleicht auch deshalb, weil uns die Vorstellung von einer Welt mit klaren Erfolgsregeln Sicherheiten gibt. Weil wir eine Welt, in der mehr von Zufall, Glück und Unglück abhängt als uns allen lieb ist, zu sehr fürchten müssten.

Daher sind viele überzeugt: Wenn irgendwo eine Katastrophe passiert, dann nur deshalb, weil jemand etwas falsch gemacht hat. Krank wird der, der "ungesund" lebt, scheitern tut der, der sich nicht an die Erfolgsregeln hält.

Besonders deutlich merkt man das, wenn ein Film oder ein Buch sehr erfolgreich ist oder gnadenlos floppt. Es dauert nicht lange, und ganze Horden von Superschlauen werden nicht nur erklären, warum das so war, sie werden auch erläutern, warum das geradezu unweigerlich so kommen musste. Von professionellen Journalisten-Analysen bis hin zu banalen Blog- und Facebookeinträgen wird das Credo letztlich immer gleich ausfallen: Erfolg oder Misserfolg waren doch von vorneherein klar.

Daher möchte ich gleich vorwegschicken, dass ich mich nicht in die Reihe der Leute einordnen möchte, die glauben, genau zu wissen und erklären zu können, weshalb ein Film wie "John Carter" floppt, während ein Film wie "Avatar" sehr erfolgreich ist.

Dennoch fiel mir bei "John Carter" ein Element auf, weshalb der Film für mich nicht funktionierte: So phantasiereich der Film in jeder Bildeinstellung war, es fehlte dem Helden nahezu dem ganzen Film über ein Ziel, das als Motiv seiner Handlungen gedient hätte. Was will John Carter? Eigentlich will er gar nichts, er will nur irgendwie wieder nach Hause und seine Ruhe. Er will niemanden wirklich helfen, er will kein Unrecht aus der Welt schaffen oder irgendeine Katastrophe verhindern. Er will nicht die Liebe seines Lebens für sich gewinnen oder einen Tyrannen stürzen. Und die anderen Parteien wissen auch nicht so wirklich, was sie wollen, auch nicht die Gegner, insbesondere diese Gestaltwandler-Thern, die nur irgendwie böse und verschlagen waren, ohne dass es dafür einen erkennbaren Grund gab.

Ob der Film erfolgreicher gewesen wäre, wenn man sich für John Carter ein Ziel überlegt hätte? Wenn er versucht hätte, E.T. nach Hause zu bringen, den weißen Hai zu fangen oder den Ring nach Mordor zu schaffen? Vielleicht ja. Vielleicht auch nicht. Vielleicht hätte ich dann geschrieben, dass der Film großartig war und ich mir sein Scheitern so gar nicht erklären kann. Oder es hätte der Film für mich noch immer nicht funktioniert, weil der Held schablonenhaft, die Darsteller zu durchschnittlich und die Marswelt nicht auch nur ansatzweise so märchenhaft und bezaubernd war wie die Welt von "Avatar".

Letztlich bleibt für mich nur die erstaunliche Feststellung, dass ein Pixar-Regisseur bei Disney einen Film machen konnte, in dem der Held vollkommen unmotiviert handelt und damit gegen eine grundlegende Regel des Geschichtenerzählens verstößt.

Freitag, 27. Juli 2012

Würfelzuckerrechnungen mit Bubble Tea

Die Berichte über die "Gefahren" des jüngsten Modegetränks mit dem neudeutschen Namen "Bubble Tea" (nun gut, "Blasentee" war schon vergeben und hätte doof geklungen) reißen nicht ab. Ich nenne es ideales Marketing, habe ich doch vom "Bubble Tea" erstmals gehört, als eindringlich davor gewarnt wurde.

Vor allem die "Grünen" tun sich nun massiv hervor, gegen dieses Getränk vorzugehen und haben eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Es passt zu dieser Partei, hat doch bereits Renate Künast in ihrem Buch "Die Dickmacher" einen Zuckerbäcker mit dem leibhaftigen Teufel verglichen. Und genau das ist auch angeblich so "teuflisch" an dem "Bubble Tea": Der viele Zucker.

Dass Zucker dick macht und zu Diabetis führt, ist zwar mehrfach wissenschaftlich widerlegt oder zumindest als unhaltbare These entlarvt worden, aber da die Leute weiterhin fleißig hochgiftige Süßstoffe in den Kaffee tun, obwohl auf dieser Erde noch nie jemand davon berichtet hat, seit dem Benutzen von Süßstofftabletten abgenommen zu haben, sehe ich hier keine Chance, in einem kurzen Blogeintrag den irrwitzigen Aberglauben über die Gesundheitsgefahren des Zuckers zu entkräften. Hier geht es also nur um das Thema: Woher kommen all die Zuckerwürfel im "Bubble Tea"?

Die Stiftung Warentest hat geschrieben, dass ein "großer Becher" Bubble Tea angeblich dreißig Würfel Zucker enthält. Und das haben dann ja sofort all die Qualitätsjournalisten abgeschrieben, ohne dass auch nur einer von ihnen nachgefragt hätte, was denn unter einem "großem Becher" zu verstehen sei. Bei McDonald ist ein großer Becher 0,6 Liter groß. Dafür wären dreißig Würfel Zucker in der Tat recht viel, allerdings auch nicht uferlos viel, denn die gleiche Menge naturtrüber Apfelsaft kommt bereits auf 27 Würfel Zucker.

Dennoch stellt sich mir die Frage, wie denn bitte dreißig Würfel Zucker konzentriert in so ein bisschen Sirup und ein paar Bubbles reinzupressen sind. Dazu passt, dass auch die vielen Qualitätsjournalisten vergessen haben zu erwähnen, dass auch die Stiftung Warentest nur den "besonders schlimmen" Mangomilchtee von Boobuk beschuldigte, und dass dieser Mangomilchtee bei fünfhundert Kilokalorien eben besagte dreißig Würfel Zucker habe. Denn: Bubble Tea kann wie ein Milch-Shake mit ganz viel Milch zubereitet werden, oder aber auch ganz ohne Milch.

Natürlich hat der Bubble Tea mit Milch weitaus mehr Kalorien, das ist ja beim Milchkaffee von Starbucks nicht anders. Nur: Seit wann ändert die Milch etwas am Zuckergehalt? Wenn ich in meinem Kaffee drei Würfel Zucker reingebe, dann bleibt es bei drei Würfel Zucker, auch wenn ich da noch fleißig Milch draufgieße.

Doch genau so erklären sich die abenteuerlichen dreißig Würfel Zucker, welche die Stiftung Warentest und danach alle Qualitätsjournalisten und die besorgten Grünen-Politiker ins Geld führten. Die Stiftung Warentest hat einfach die Gesamtkalorienzahl - die oben erwähnten 500 Kalorien - durch 16 geteilt. Denn ein Würfel Zucker hat 16 bis 20 Kalorien, und damit man auf besonders viele Zuckerwürfel kommt, nimmt man natürlich immer die kleinste Zahl. Also: 500 : 16 = 31.

Das ist freilich großer Blödsinn, denn die Gesamtkalorien kommen bei einem Milch-Shake auch durch das Fett und das Eiweiß der "gesunden Milch" zustande. Genauso könnte ich sagen, ein Liter Magermilch enthalte 31 Würfel Zucker, weil er insgesamt 490 Kalorien hat. Ich könnte überhaupt jedes Essen in Würfelzucker umrechnen. Ein kleiner Apfel = vier Würfelzucker, ein Teller Gemüseeintopf = 26 Würfel Zucker. Dennoch hat der Verzehr von einem Teller Gemüseeintopf doch nichts mit dem Verzehr von 26 Zuckerwürfeln zu tun. Und das gilt auch für den "Bubble Tea": Selbst wenn jemand den großen Becher Mangomilchtee von Boobuk trinkt, hat er keine dreißig Würfel Zucker zu sich genommen.

Was soll das also? Um die Gefährlichkeit eines Getränks zu beweisen, nimmt man die größte Portion, die denkbar kalorienreichste Zubereitungsart und errechnet damit erfundene Würfelzucker, die so im Getränk nicht drin sind. Ist das eine Sensationsbeschaffungsmaßnahme mit gewollter Spaßbrems-Wirkung und der Lust an unsinniger Panikmache? Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Eltern sich völlig unbegründet Sorgen machen oder gar Streitgespräche mit ihren Sprösslingen führten, weil die Kinder natürlich - angeheizt durch die Werbung - "Bubble Tea" trinken wollen.

"Ist ja auch richtig!", so wird mancher rufen, denn der "Bubble Tea" ist ja auch gefährlich. Wenn schon nicht wegen des Zuckers, dann wegen der bösen Farbstoffe.

Farbstoffe!!!

Beim Begriff "Farbstoffe“ läuten bei vielen sofort die Alarmglocken. Man braucht nur dieses Wort zu sagen, um aller Welt zu zeigen, was für eine teuflische Giftplörre aus den Frankensteinlabors der Chemieindustrie dieses Getränk sein muss. Dabei wird gerne übersehen, dass sich Farbstoffe überall befinden, vor allem im angeblich so "gesunden" Obst und Gemüse. Daher gibt es ja auch die "Ernährungsempfehlung", man möge doch nicht nur fünfmal am Tag irgendein Obst oder Gemüse essen, sondern auch noch Gemüse mit verschiedenen Farben. (Das ist esoterischer Unfug, weil die pflanzlichen Farbstoffe keinerlei erkennbaren "Nutzen" für den Körper haben, aber es ist doch witzig, wie unterschiedlich die "Farbenlehre" in der Ernährung gerne verwendet wird.)

Aber im "Bubble Tea" sind ja die bösen Azofarbstoffe drin. Und die sind doch nun wirklich, wirklich ganz ungesund und nicht gut. Blöderweise sind es beim "Bubble Tea" die gleichen Farbstoffe, die sich auch im Fruchtgummi, in Götterspeise oder im Lachsersatz befinden. Auch im Münchener Modegetränk Aperol Sprizz ist dieser Farbstoff drin. Ich weiß allerdings nicht, ob hier auch eine "Anfrage" der Grünen läuft, oder ob sich nicht so mancher "Grüne" selbst einen Aperol Sprizz genehmigt, während er bei einem Empfang wieder einmal den Kopf über dieses furchtbar ungesunde Jugend-Modegetränke den Kopf schüttelt. (Es gibt natürlich tatsächlich Menschen, die auf Azofarbstoffe allergisch reagieren. Es gibt aber auch Menschen, die allergisch auf Mehl oder Nüsse sind. Das beweist nicht die "Gefährlichkeit".)

Was bleibt also? Ein süßes Getränk mit Farbstoffen. Der Süßegrad wird mit abenteuerlichen Hoch- und Umrechnungen völlig verfälscht, und bei den Farbstoffen handelt es sich um Stoffe, die es seit Jahren in vielen Lebensmitteln gibt. Aber es ist eben einfach ein Unterschied, ob die Münchener Schicki-Micki-Gesellschaft ein gefärbtes und kalorienreiches Modegetränk schlürft, oder ob es sich dabei um die ja stets gefährdete Jugend handelt, die sich ein paar bunte Bälle in einem harmlosen Tee-Shake reinzischt. Ärgerlich wird es nur, wenn ein paar Politiker meinen, sich damit wichtig tun zu müssen und dann mit schwachsinnigen Anfragen Wählerfang betreiben.

Zuletzt noch ein paar Fakten: Der 0,4-Literbecher "Milky Strawberry"-"Bubble Tea" bei McDonald hat 240 Kalorien, die milchfreien Varianten "Black Litschi" und "Fresh Mango" kommen sogar nur auf 170 Kalorien. Da soll einer noch die Bundesregierung verstehen, dass sie bei sowas tatenlos zusieht.