Mittwoch, 14. Dezember 2011

Fütterung von Kleinkindern



Der obige Trailer bewirbt einen Film mit dem Titel "John Carter". Ich finde den Trailer gar nicht schlecht. Der Film basiert auf einer sehr alten Roman-Reihe – nicht dass jemand die wahnwitzige Vermutung anstellt, hier hätte Hollywood tatsächlich mal eine neue Idee gehabt - , doch darum soll es hier gar nicht gehen.

Dieser Trailer ist ein weiteres Beispiel für eine schon lange anhaltende Unart bei Filmtrailern: Permanente Fade-Outs. Fast schon im Sekundentakt wird der Bildschirm schwarz, gefolgt von etwa zwei Sekunden Bild und ... erneut Abblende.

Das alles könnte man ignorieren, würde inzwischen nicht jeder Blockbuster so beworben, man siehe nur hier, hier und hier als willkürliche Beispiele. Es folgt stets das gleiche Schema: Ein paar Bilder – Schwärze. Bilder – Schwärze.

Man könnte diese Masche als Mode-Gag abtun, aber ich denke, da steckt mehr dahinter. Es geht um die geistige Aufnahmekapazität des potenziellen Kinogängers.

Vor nichts hat Hollywood im Moment so sehr Angst, als seine Zuschauer intellektuell zu überfordern. Kein Wunder: Wer dem Publikum jahrelang zu neunzig Prozent aufgewärmten Dünnschiss nach der Struktur von Pornofilmen serviert (nur dass die Rammelszenen hier durch Kino-Action ersetzt werden), züchtet sich dadurch natürlich eine Gattung heran, für die man Kinotrailer nach dem Prinzip der Fütterung von Kleinkindern gestalten muss - immer wieder ein kleines Häppchen lauwarmen Brei in den Mund, und dann abwarten, damit der kleine Wonneproppen nicht zu viel rülpsen muss oder sich gar verschluckt.

Kritisch wird es nur, wenn man die geistige Aufnahmekapazität der Kinogänger irgendwann so weit gesenkt hat, dass bei einem Trailer auf zwei Sekunden Bild zehn Sekunden Schwarz-Pause zur geistigen Verdauung folgen müssen. Wobei: Die Handlung der meisten Filme ist in weniger als zwei Sekunden erklärt, sodass sich Trailer damit ohnehin nur noch selten befassen. Zwei Sekunden Filmausschnitt und zehn Sekunden Schwarzpause dürften bei den meisten Filmen locker reichen.

Samstag, 10. Dezember 2011

Generation Post-Doof

Die "Generation Doof" lässt sich gerne als Trainees und Praktikanten ausbeuten. Jetzt sind wir bei Generation Post-Doof angekommen. Die lassen sich nicht nur ausbeuten, die finden das auch noch normal und gut.

Anlass für diese Erkenntnis ist der über Spiegel-Online bekannt gewordene Umstand, dass amazon.de jährlich das Saisongeschäft bestreitet, indem es Tausende von Erwerbslosen zwei Wochen unbezahlt für sich arbeiten lässt. Die Arbeiter erhalten weiterhin Hartz-IV, das bekanntlich vom Steuerzahler erbracht wird. Die Arbeiter erhalten auch keinerlei Zahlung in die Rentenkasse. Dort werden sie so geführt, als hätten sie nicht gearbeitet.

Den Glücklichen, die "übernommen" werden, winkt laut Amazon-Pressesprecher eine Arbeitsmöglichkeit von drei Wochen (Wow!) bis sechs Monaten (nachzulesen hier), und das bei einer Bezahlung, die noch immer zum Leben nicht reicht, sodass die Betroffenen offenbar auch danach mit Hartz IV (also erneut mit Geldern des Steuerzahlers) aufstocken müssen, wie man hier nachlesen kann.

Gegen ein solch schamloses, ausbeuterisches Treiben bin ich als Einzelperson machtlos. Ich bin auch als Wähler machtlos, weil alle Mainstream-Parteien diesen Zustand fördern (weshalb dieser Missstand "legal" ist), weil er werbewirksam die Statistiken beschönigt, denn auch wenn jemand ohne Lohn für amazon.de arbeitet (oder danach so wenig Geld bekommt, dass er weiterhin auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ist), so taucht er nicht mehr in der Arbeitslosen-Statistik auf.

Aber als Konsument habe ich Macht. Ich kann entscheiden, inwieweit ich menschliche Ausbeute unterstütze. Ich habe jährlich vierstellige Beträge bei amazon.de gelassen. Damit ist es vorbei, und zum Glück kenne ich viele, die meinem Beispiel folgen.

Natürlich gibt es andere. Mitglieder der Generation "Post-Doof". Die das alles gut und richtig finden. Wahrscheinlich, weil sie es nur noch aus Erzählungen von früher kennen, dass ein Saisonarbeiter ganz normal von Tag eins an guten und vernünftigen Lohn bekam.

So hat "Ralf" einen Kommentar im vorherigen Blogposting hinterlassen, und ich möchte diesen Kommentar hier noch einmal zitieren:

Nun, ich arbeite bei Amazon und weiß, dass die Arbeitsbedingungen bei uns sehr gut sind. Die Presse hat hier Dinge aufgebauscht. Es gab tatsächlich EINEN Fall, in dem ein Praktikant vom letzten Jahr, der nicht übernommen wurde, dieses Jahr wieder in einem unbezahlten Praktikum beschäftigt wurde. Es liegt hier aber auch in der Verantwortung der ARGE, diesen Umstand zu bemerken (Akten von ubezahlten Praktikanten werden nicht geführt) und wie gesagt, es war ein Versehen und kam nur in einem Fall vor.

Ja, es ist gängige Praxis bei vielen Firmen und viele Firmen nutzen diese Möglichkeit wesentlich unverblümter als Amazon. Wir haben immerhin eine Übernahmequote bei diesen Praktikanten von beispielsweise 90% in Werne. Die Hartz IV - Empfänger erhalten hier von Amazon also eine echte Chance, sich zu beweisen (Wie ich damals übrigens auch, andere Arbeitgeber wollten sich mit mir überhaupt nicht befassen).

Amazon nutzt die Möglichkeiten, die der Staat bietet, aber von "Aus"nutzen zu reden ist hier eine stark polemisierte Sichtweise.

1. Aufgebauscht? Wo wurde hier was aufgebaucht? Sich auf Staatskosten unbezahlte Saisonarbeiter zu holen, ist ein Skandal. Dieser Skandal führte zu zwei läppischen Artikeln auf Spiegel-Online (über die ich mich bereits gewundert habe), der zweite bereits beschönigend. Das war es auch schon. Reine Saisonarbeiter ohne Lohn für sich schuften zu lassen, ist auch dann ein Skandal, wenn es nicht regelmäßig "vermehrt" vorkommt.

2. Der immer wieder vorgebrachte Einwand, dies sei "üblich" und werde von anderen Firmen noch radikaler betrieben, ist eigentlich ein gesellschaftliches Pulverfass, das in die ganz großen Schlagzeilen gehört, keine Rechtfertigung. Wie gesagt: Ein Phänomen der Generation Post-Doof. Ich selbst habe als Schüler und Student Saisonarbeit verrichtet. Und natürlich wurde ich von Tag 1 an bezahlt! Doch für Generation "Post-Doof"-Menschen sind das wohl weit in der Ferne liegende Geschichten vom einstigen Arbeiterparadies.

3. Soso! Amazon führt also keine Akten über die "unbezahlten Praktikanten". Ich weiß nicht, ob diese Behauptung stimmt. Wenn sie stimmt, finde ich sie hochinteressant! Normalerweise gibt es bei "Praktikas" - zumindest bei das, was auch nur im Ansatz diese Bezeichnung verdient - Bewertungen, Zeugnisse, Zwischenberichte. Und amazon.de führt noch nicht einmal die Namen der unbezahlten Arbeitssklaven. Tja, warum sollten sie auch? Sollen das doch die ARGEn tun. Gerade diese Aussage beweist, dass die scheinheilige Bezeichnung "Praktikum" ein Hohn ist. Es geht hier ausnahmslos um das Ausnutzen kostenloser Arbeitskräfte. Mit Hilfe des Gesetzgebers lässt amazon.de Menschen unbezahlt für sich arbeiten, und interessiert sich für die Personen und ihre Arbeitsleistung noch nicht einmal hinreichend genug, um auch nur über die Namen Akten zu führen. Wären es echte Praktikas, würde amazon.de schon aus eigenem Interesse Akten führen. (Immer vorausgesetzt, dieser "Einwand" von Ralf entspricht der Wahrheit.)

Es könnte natürlich sein, dass dieser Kommentar von Ralf bewusst so verfasst war, dass jedem, der ihn liest, die scheinheiligen Rechtfertigungen von amazon.de ins Auge springen. In diesem Fall gratuliere ich dem Schreiber zu seiner hohen sozialen Intelligenz.

Damit man mir hier aber nicht Sturheit und Fanatismus vorwirft, mache ich hiermit amazon.de zwei Angebote:

Angebot 1:

Amazon.de darf mir gerne für zwei Wochen Lohn bezahlen - ohne dass von mir irgendeine Arbeitsleistung kommt, versteht sich. Nach diesen zwei Wochen werde ich dann großzügig entscheiden, was ich tue (denn ich brauche im Moment keinen Job bei amazon.de). Aber amazon.de kann das Prozedere dann gerne nächstes Jahr wiederholen. Akten werde ich in der Zwischenzeit keine führen.

Angebot 2:

Ich kaufe die nächsten zwei Wochen bei amazon.de ein, ohne dass mich die Pflicht trifft, den Kaufpreis zu entrichten. Damit würde ich amazon.de eine echte Chance geben, sich als Online-Händler zu "beweisen". Ob ich danach immer noch bei amazon.de gegen Bezahlung einkaufe, ist zwar ebenfalls meiner reinen Willkür unterworfen, aber keine Sorge, auch dieses Prozedere können wir gerne Jahr für Jahr wiederholen - am Besten während des Saisongeschäfts. Und obwohl ich keinerlei Kaufpreis entrichte, darf amazon.de mich in dieser Zeit gerne statistisch als Käufer führen.

Denn großzügig wie ich bin, gebe ich Unternehmen wie amazon.de gerne auch mal echte Chancen, sich bei mir zu beweisen!