Freitag, 29. Oktober 2010

Mittelalter

Heute schütteln wir den Kopf, wenn wir uns die Heil- und Gesundheitsmethoden des Mittelalters ansehen. Aderlass für das "Gleichgewicht der Säfte", Beten gegen die Pestbeulen, Adlersteine für sanfte Geburten. Man bohrte auch schon mal Löcher in den Kopf, damit der böse Geist entweichen kann.

Ich frage mich ja, ob man in der Zukunft mal genauso über uns den Kopf schütteln wird. Mehr noch als über die Leute im Mittelalter, die nichts über Viren wussten und die zum Beispiel den "Zahnwurm" für faule Zähne verantwortlich machten. Denen fehlte einfach das Wissen über die Vorgänge bei Krankheiten.

Wir aber müssten es besser wissen.

Doch wenn man durch die Supermarkt-Regale geht, glaubt man, einen Alchemie-Laden des 10. Jahrhunderts zu besuchen. Kaum ein Getränk, das nicht die "Abwehrkräfte" stärkt. Wie soll bitte ein Getränk die Abwehrkräfte stärken? Genauso könnte man glauben, durch das Trinken von Cola würden die Muskeln wachsen.

Von Muskelversprechen halten die Produkte aber inzwischen Abstand, einfach deshalb, weil man den Erfolg - oder besser gesagt den ausbleibenden Erfolg - zu leicht nachprüfen kann. Aber Abwehrkräfte sind wunderbar. Denn wer will je beweisen, ob die nun stärker oder schwächer geworden sind. Genauso könnte ich sagen, ich verbessere das morgige Wetter. Selbst wenn es dann regnet, kann ich immer noch behaupten: Ohne mich hätte es gehagelt!

Toll auch die "Omega-3-Fettsäuren" für "Herz- und Kreislauf". Auch so ein Mythos, der einfach mal so in die Welt gesetzt wurde, nur weil irgendwer angeblich mal festgestellt haben will, dass es bei den Eskimos keine Herzprobleme gibt (allein das schon eine gewagte, kaum beweisbare These), und dass dies wohl an den Omega-3-Fettsäuren liegt, weil die im Fisch drin sind.

Vielleicht liegt es aber auch an den heilenden Kräften des Eisgottes? Oder an einer Millionen anderer Ursachen, von denen wir gar nichts ahnen können?

Und dann all die Joghurts für die Darmflora. Warum nicht gleich den Aderlass gegen die schwarzen Säfte der Galle? Wobei: Wir reden ja immer noch vom "Entschlacken". Das "Entschlacken-Prinzip" basiert auf der mittelalterlichen Vorstellung, der menschliche Körper basiere auf vier Körpersäften: Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Früher wurde Blut geschröpft, um die Säfte ins Gleichgewicht zu bringen, heute trinkt man widerliche Sauerkrautsäfte und fastet.

Eltern sind ein ganz beliebtes Opfer, und ich bin sicher, fast alle Eltern werden von der Furcht geplagt, ihr Kind bekomme zu wenig Vitamine und zu wenig Ballaststoffe. Das Märchen von der Mangelernährung wird uns tagtäglich von allerlei Slogans, schlecht recherierten Artikeln und dummdreisten Unterhaltungs-Sachbüchern derart eingeimpft, dagegen ist die religiöse Indoktrination des Mittelalters harmlos. Daher wird man fast schon als Ketzer verbrannt, erwähnt man mal bei einer Gesprächsrunde am Mittagstisch, dass all das Gerede von Vitamin- und Ballaststoffmangel reiner Unfug ist.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Jubelstimmung

Würde jemand seit Jahren davon reden, dass die Außerirdischen unter uns weilen, man würde ihn zum Psychiater schicken, oder ihn gar in die Psychiatrie einweisen, oder - noch schlimmer - auf das Sofa einer Nachmittags-Talkshow setzen.

Wenn aber Politiker seit Jahren Phantastereien verbreiten, dann wird das hofiert und gefeiert. So zum Beispiel von einem Radiosender wie Bayern 3, der mich heute früh wieder mal mit der frohen Nachricht beglückte, dass die Arbeitslosenzahlen unter die 3-Millionen-Grenze gefallen seien und dass Seehofer sich bereits Gedanken mache, wie man dem angeblichen Fachkräftemangel durch Anwerben von ausländischen Fachkräften gegensteuern könne.

Ich bin ja normalerweise für jede Verarsche zu haben. Aber das? Okay, von den Mitarbeitern von Bayern3 ist nicht viel mehr zu erwarten. Das sind Leute mit Beamtenstatus, die ihren Job wahrscheinlich dem richtigen Parteibuch zu verdanken haben und die es sich in ihrer Hängematte der Gebührensicherheit bequem machen. Aber es sind ja nicht nur solche, die unhinterfragt und unrecherchiert schlichtweg gelogene Pressemeldungen von Politikern nachplappern.

Hier kann man nicht mehr vom Schönreden von Zahlen reden. Das sind einfach platte Lügen, die nach dem George-Orwell-Prinzip durch ständige Wiederholung zur Wahrheit werden sollen.

Denn:

Wie kann die Zahl der Arbeitslosen unter die Drei-Millionen-Marke sinken, wenn selbst die Bundesagentur für Arbeit von 4,5 Millionen Arbeitssuchenden spricht?

Warum fallen alle, die älter als 58 und arbeitslos sind (0,35 Millionen), einfach unter den Tisch? Weil mit 58 eh keiner mehr arbeitet? Da passt ja das Hochsetzen des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wie die Faust aufs Auge. Künftig kann man also neun Jahre lang arbeitslos sein, ohne auch nur für einen Tag in der Arbeitslosenstatistik zu erscheinen.

Wieso ist jemand, der einen sogenannten Ein-Euro-Job hat (0,32 Millionen), aus der Arbeitslosenzahl draußen? Ein-Euro-Job heißt, jemand ist arbeitslos und verdient sich (erzwungenermaßen) zu seinem Hartz-IV im Monat 120 EUR hinzu.

Wieso zählen die, die sich in einer beruflichen Weiterbildung (0,19 Millionen) oder Eingliederungsmaßnahme (0,2 Millionen) befinden, nicht als arbeitslos, obwohl sie diese Weiterbildung oder Eingliederung doch gerade wegen der Arbeitslosigkeit machen?

Wieso tauchen die 4,2 Millionen Menschen, die so wenig verdienen, dass sie mit Hartz-IV aufstocken müssen, gar nicht in der Arbeitslosenstatistik auf, selbst dann, wenn sie nur wenige Stunden in der Woche arbeiten?

Wieso zählen mehrere hunderttausend Jugendliche ohne Ausbildungsplatz weder zur Arbeitslosenstatistik noch zu der Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz, wenn sie eine Maßnahme im so genannten "Übergangssystem" absolvieren, obwohl sie dabei keinen Berufsabschluss erlangen können und diese Maßnahme ja nur deswegen antreten, weil sie weder einen Ausbildungsplatz noch eine Arbeitsstelle haben?

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Cyber-Mobbing

Nachdem sich in New York ein 18-jähriger Student von der George-Washington-Brücke stürzte, nachdem ihn Mitbewohner des Wohnheims heimlich beim schwulen Sex gefilmt und diesen Film ins Internet gestellt hatten, wurde in einigen Medien gerne berichtet, dass die Schwulenfeindlichkeit in den USA zunehme.

Gut. Mag sein, dass sich der Junge nicht von der Brücke gestürzt hätte, hätte er Sex mit einem Mädchen gehabt, wäre dabei gefilmt worden und seine Mitbewohner hätten dieses Video veröffentlicht. Vielleicht wäre er aber über einen derartigen Vertrauensbruch genauso bestürzt gewesen. Denn, schwul oder nicht: Das eigentliche Verbrechen an dieser Geschichte ist, dass hier Mitbewohner die Intimssphäre dieses Jungen verletzten und diese intimen Bilder ins Internet stellten.

Das ist das eigentlich Schreckliche an der Geschichte. Und ich denke, das ist es auch, was zurzeit zunimmt. Und das weltweit: Das Problem des sogenannten "Cyber-Mobbings".

Das Internet macht jeden Privatmann zum Chef der BILD-Zeitung. Das heißt: Jeder Dummkopf kann über das Internet mit ein paar Mausklicks jede Schlagzeile in die Welt posaunen. Inzwischen braucht man nicht mal mehr Mausklicks oder technisches Wissen. Mit Handys und iPods kann man - so einfach wie früher das Fotografieren mit einer Kodak-Kamera - filmen und veröffentlichen.

Dass die Medien das Cyber-Mobbing nicht so gerne anklagen und lieber von Schwulenfeindlichkeit in anderen Ländern schreiben, ist verräterisch. Denn die Frage ist doch: Wer hat denn die Unkultur des Cyber-Mobbings überhaupt aufgebracht?

Wie soll sich denn eine Jugend verhalten, die unter dem Einfluss von verheerenden Nachmittags-Talkshows aufwuchs, in denen es nur darum ging, von der "Norm" abweichende Personen anzuprangern und vorzuführen? Man denke nur an die ganzen "Konfrontations-Talks", in denen vor laufender Kamera die Liebe gekündigt oder das Ergebnis eines Vaterschaftstests verkündet wurden.

Mögen diese Szenen auch oftmals inszeniert gewesen sein: Es war eine Legitimation von Grenzüberschreitung.

In enorm erfolgreichen Formaten wie "Deutschland sucht den Superstar" werden Leute vorgeführt und bloßgestellt. Gezielt. Denn es gilt: Je gemeiner, je peinlicher und entwürdigender, umso höher ist die Quote. In Sendungen wie "Big Brother" befinden sich sogar auf den Toiletten Kameras.

Stefan Raab machte das Bloßstellen von Privatpersonen in einem Massenmedium zum Millionengeschäft. Die Strafen, die dafür verhängt wurden, dass er im Fernsehen eine Schülerin als potenzielle Pornodarstellerin und eine türkische Mutter mit Schultüte als Dealerin bezeichnete, zahlt seine Produktionsfirma wahrscheinlich aus der Portokasse.

Dann die ganzen Journalisten-Formate wie "Stern TV", in denen über fiktive Suchanzeigen Leute geködert werden, die sich im harmlosesten Fall illegale Drogen besorgen wollen. Sie werden gefilmt und - wenn auch verpixelt - vorgeführt. RTL2 zeigt gerade eine Sendung namens "Tatort Internet", die unter dem Deckmantel der Aufklärung potenzielle Kinderschänder in Chatrooms mit falschen Teenager-Profilen lockt, um sie vor laufender Kamera zu entlarven. Sieht man sich das sonstige Programm von RTL2 an, dann ist mehr als offensichtlich, dass hier mit sexistischem Voyeurismus Quote gemacht werden soll. Dass sich eine Frau wie Stephanie zu Guttenberg für ein solch durchschaubares Spiel hergibt, macht es noch schlimmer.

Gelästert wird viel. Und es ist nicht immer politisch korrekt. Aber es ist einfach ein Unterschied, ob dies im Privaten geschieht - und da kann es schlimm genug sein - oder ob es in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Wenn einer Jugend dafür jegliches Gespür abhanden gekommen ist, wundert es mich nicht. Woher hätten sie dieses Gespür denn lernen sollen? Die Mainstream-Medien haben hier nicht nur auf ganzer Linie versagt, sie haben einer ganzen Generation gezeigt, wie Cyber-Mobbing funktioniert.

Freitag, 8. Oktober 2010

Spiele

Wenn man Urlaub hat und sich ausgerechnet dann eine Erkältung einfängt, ist das natürlich saublöd. Da kann man nicht viel mehr tun, als Videospiele spielen.

Zuerst war bei mir "Alpha Protocol" dran, ein Agentenspiel, das ich mir vor Monaten gekauft habe (was blöd war, weil es jetzt 12 Euro billiger ist). Nett und unterhaltsam. Es ist ein Action-Rollenspiel, bei dem man ständig Entscheidungen trifft, die den Spielverlauf beeinflussen. So sehr begeistert, dass ich es immer und immer wieder durchspiele, hat es mich jedoch nicht. Aber es war originell gemacht, auch wenn mich eine unfaire Stelle fast in den Controller hätte beißen lassen.

Dann habe ich mir "Halo Reach" geholt, nachdem die Zeitschrift Gamepro ja in den höchsten Tönen von dem Spiel vorschwärmte. Wenn ich da was von "gut inszenierten Zwischensequenzen mit zahlreichen Bombast-Momenten" lese, dann muss ich sagen: Naja. Da ist man aber inzwischen schon anderen "Bombast" gewohnt. Bei einer derart überschwänglichen Bewertung hatte ich da einfach mehr erwartet. Ich fand das Geballer eher eintönig und die Zwischensequenzen nicht so spekakulär. Dafür gab es ein paar nervige "wo geht es jetzt weiter?"-Momente, in denen ich ein wenig ziellos herumirrte. Außerdem merke ich: Ego-Shooter sind meins nicht. Ich brauche eine Figur zum mitfiebern. So sehe ich nur eine über den Boden schwebende Waffe und soll mir irgendwie einreden, dass ich es selbst bin, der da läuft, während ich ja eigentlich faul im Sessel hocke. Funktioniert bei mir irgendwie nicht!

Was die Story von "Halo Reach" angeht: Ein stimmungsvolles Ende hatte das Spiel, aber wäre ich Fan der Halo-Reihe, hätte ich mir für den Abschluss wahrscheinlich mehr erhofft als ein finsteres Prequel.

Jetzt werde ich mir mal "Mafia II" vornehmen.