Wer an die unverbesserlichen Gegner des Science-Fiction-Genres denkt, der sieht vor seinem geistigen Auge vielleicht ein paar konservative Leute, deren Filmgeschmack irgendwo bei "Der Förster vom Silberwald" oder den "Sissi"-Filmen stehen geblieben ist und die sich gerne darüber aufregen, dass im Radio so viel "englisches Zeug" läuft. Mit anderen Worten: Konservative, Ewiggestrige.
Dabei ist das sogenannte linksintellektuelle Lager viel schlimmer. Dass sich daran nichts geändert hat, zeigte kürzlich ein Beitrag auf "Zeit online", der vorgab, über das 50jährige Jubiläum der Heftreihe "Perry Rhodan" berichten zu wollen, dessen Autor sich stattdessen jedoch nicht entblödete, die Überschrift "Der Ersatz-Hitler aus dem All" zu wählen. Als es Proteste hagelte, wurde die Überschrift in "Der Weltraum als Modelleisenbahn-Keller" geändert. Bravo. Aus einem ignoranten, vorurteilsbeladenen und rufmörderischen Titel wurde also ein ignoranter und vorurteilsbeladener Titel. Welch ein Fortschritt.
Doch das dummdreiste Geschwafel über Science Fiction in der ansonsten doch angeblich so aufgeschlossenen Nicht-Boulevard-Presse hat eine lange Tradition. Bereits 1975 hat der "Der Spiegel" von einem "Kino-Comeback jener hochgradig stupiden TV-Serie, die das ZDF unter dem Titel 'Raumschiff Enterprise' dargeboten hat" (Spiegel 53/75) berichtet, ohne weiter darauf einzugehen, was denn eigentlich an der Serie so "hochgradig stupide" war. Damals glaubte man wohl, dies nicht weiter begründen zu müssen.
1978 war anlässlich des Erfolgs von "Krieg der Sterne" ein Artikel unter dem Titel "Science Fiction – Flucht ins All" (Spiegel 5/78) erschienen, in welchem "Perry Rhodan" als "schlimmste Ausgeburt imperialistischer, faschistischer Zukunftsphantasie" beschimpft und der Titelheld als "Space Adolf" bezeichnet wurde. Weil das offenbar noch nicht reichte, wurde die amerikanische Essayistin Susan Sonntag zitiert, die Parallelen zwischen Science Fiction und Pornografie entdeckt zu haben glaubte. "Die Pornografie ist – genauso wie die Science Fiction – ein Zweig der Literatur, der auf Desorientierung, auf psychische Verwirrung, ausgerichtet ist." Diese doch reichlich hirnrissig klingende Aussage wurde weder erläutert noch erklärt. Es war damals wohl auch egal, Hauptsache, es klang irgendwie wissenschaftlich und diffamierte das Science-Fiction-Genre nach Strich und Faden.
Danach wurde der Psychologe Thomas vom Scheidt zitiert, der "SF-Leser mit dem Rauschdrogen-Konsumenten" verglich. "Vom Scheidt (...) hat in seiner Praxis SF-Freaks psychoanalytisch behandelt und dabei Defekte der seelischen Struktur seiner Patienten entdeckt, die offensichtlich typisch für das Gros der SF-Anhänger sind. Von Freuds Feststellung ausgehend, 'der Glückliche phantasiert nie, nur der Unbefriedigte', stieß er auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, die sich durch 'seelische Zustände von Sinnlosigkeit, tiefster Verlassenheit und Isoliertheit' bemerkbar macht."
Es ist doch eher unwahrscheinlich, dass vom Scheidt seine "Untersuchungen" nach empirisch ernstzunehmenden Kriterien durchführte, so dass die Aussage, die angeblichen Defizite seien "typisch für das Gros der SF-Anhänger" wohl nichts anderes als reine Spekulation und Wichtigtuerei waren. Schade, dass noch niemand die Defizite von Journalisten untersucht hat. Es wäre interessant zu erfahren, welche Motivation manchen aus ihrer Gattung (oder soll man sagen, ein "Gros" ihrer Gattung?) noch heute dazu treibt, ein literarisches Genre mit haltlosen Nazi- und Pornografie-Vergleichen in ein schiefes Licht zu rücken.
Da offenbar so mancher Journalist von Zeit Online auf dieser hinterwäldlerischen Voreingenommenheit der verlängerten Nachkriegszeit stehen geblieben ist und selbst angesichts eines so eindrucksvollen Literatur-Phänomens wie "Perry Rhodan" noch immer nichts besseres zu bieten hat, als hirn- halt- und geistlose Klischees und Vorurteile von vorgestern nachzuplappern, lässt das nur einen Schluss zu: Zeit Online ist die "Ersatz-Bildzeitung aus der Provinz".
Freitag, 2. September 2011
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