Mittwoch, 29. August 2012

Du hast die Wahl

Schon als Kind liebte ich "Persönlichkeitstests" in Zeitschriften.

Ich weiß nicht mehr, welche Frauenzeitschrift es war, die meine Mutter im Lesezirkel hatte, aber in einer davon gab es jede Woche einen "Persönlichkeitstest". Er stellte so spannende Fragen wie "sind Sie ein Ordnungsfanatiker?", "wie spontan sind Sie?" oder "wie verbringen Sie am liebsten Ihren Urlaub?".

Dann musste man sich bei mehreren Fragen eine passende Antwort aussuchen. Meist waren drei bis vier Antworten vorgegeben. Jede Antwort ergab eine Zahl, die man am Ende addieren musste. Und dann konnte man nachsehen, welcher "Personlichkeits-Typ" man war. Es gab bei der "Auswertung" immer drei mögliche Ergebnisse. Und ich landete immer, aber auch wirklich immer im mittleren Feld. Ich war immer der, "der Ordnung liebt, aber auch Unordnung hinnehmen kann", der "Spontanität mag, aber nicht alles dem Zufall überlassen möchte" und der in seinem Urlaub "gerne verreist, aber auch die Zeit zu Hause mit einem Buch genießen kann".

Es dauerte nicht lange, und ich erkannte, dass diese Tests natürlich völliger Schwachsinn sind. Die Antworten, die man zur Auswahl hatte, waren oft so extrem, dass sie natürlich niemand auswählen würde. Was tue ich, wenn unangekündigt Freunde vor der Tür stehen? Nein, ich "schlage ihnen nicht die Tür vor der Nase zu und verlange, sie sollen das nächste mal vorher anrufen". Und nein: Ich schmeiße auch nicht sofort eine Party, "plündere Bar und Kühlschrank und lade noch die Nachbarn mit ein".


Dennoch machte ich diese Tests immer wieder. Die Faszination solcher Umfragen hat mich bis heute nicht losgelassen, und ich amüsiere mich immer wieder über die vorgegebene Antwortauswahl. Auf der SZ-Seite gab es kürzlich eine "Umfrage" zu den "besten" TV-Serien. Über Serien wie "Twin Peaks", "Derrick" oder "Little Britain" konnte man abstimmen und dabei wählen zwischen: "Beste Serie aller Zeiten", "Wirklich nett", "Geht so/Nie gesehen" und "todlangweilig".

Wie schön. Bei Serien, die einem gefallen, hat man also die Wahl zwischen "Beste Serie aller Zeiten" und "wirklich nett". Wäre man genau, dann könnte man nur einmal eine Serie zur "Besten Serie" küren, schließlich kann es nur einen "Besten" geben, alle anderen wären dann nur noch "wirklich nett".

Dass man bei Serien, die man nicht kennt, mit den "Geht so"-Leuten in einen Topf geworfen wird, ist auch witzig. "Berlin, Berlin" landet also bei mir mit "Games of Thrones" im "geht so"-Bereich, weil ich beide Serien noch nie gesehen habe.

Dass bei einem solchen Test dann auch noch die "Tagesschau" vorkommt, ist auch "nett", denn hier würde ich bei einem "geht so" (aus TV-Seriengesichtspunkten) mit den "nie gesehen"-Leuten in einer Kategorie landen. So wie die angeblich 83 Prozent der bedauernswerten Menschen, die "Damages" entweder noch nie gesehen haben, oder die dieser genialen Serie gerade einmal ein "geht so" zugestehen. Man weiß es nicht.

Daher möchte ich alle Leser auffordern, ihre Meinung über dieses Blog abzugeben:
 

A: Das beste Blog aller Zeiten
B: wirklich nett
C: geht so/nie gelesen
D: todlangweilig.


Irgendwie habe ich das Gefühl, ich werde hier nicht über ein "wirklich nett" hinauskommen.

Dienstag, 28. August 2012

Ausgerechnet "Rocketeer"!

Ich finde es immer wieder amüsant, wenn plötzlich Remakes von Filmen angekündigt werden, deren Urfilm gnadenlos gefloppt ist. Daher musste ich auch grinsen, als ich hörte, dass Disney es im Zuge des Superhelden-Booms mit einem neuen "Rocketeer"-Film versuchen möchte.

Blöd ist es dennoch nicht. Die "Conan"-Romane wurden ein durchschlagender Bestseller-Erfolg, als die Geschichten in den 1960er Jahren mit Covern von Frank Frazetta neu aufgelegt wurden. Die einst mäßig erfolgreichen "Vampire Diaries" wurden im Zuge von "Twilight" neu herausgebracht und fortgesetzt.

Gerade im Filmgeschäft haben Fehlschläge unzählige Gründe. Schlechtes Marketing, falscher Zeitpunkt, schwächelnde Umsetzung. Wenn eine Idee nicht zum Erfolg führt, muss nicht die Idee schlecht gewesen sein.

Wundern muss ich mich dennoch. Der Disney-Konzern hat vor kurzem das Comic-Haus Marvel für vier Milliarden Dollar gekauft. Marvel hatte die Rechte an rund fünftausend (!!!) Comic-Charakteren, die damit auf Disney übergegangen sind. Dass man ausgerechnet jetzt eine Comicfigur verfilmt, die kein Mensch kennt und die auch nicht von Marvel stammt, ist mehr als erstaunlich. Es ist ein wenig so, als hätte sich ein Kind gerade zehn neue Barbie-Puppen erbettelt, und dann spielt es doch mit dem alten Teddybär aus dem Keller.

Freitag, 24. August 2012

Gehts auch ein bisschen billiger?

Ein Mann namens Frank Schmidt, der für RTL II irgendwelche Scripted-Reality-Formate verbricht, erklärte in einem Interview, die Produzenten von Filmen und Serien könnten eine Menge von den Produktionsprozessen bei Scripted Reality lernen und damit ihre Kosten um bis zur Hälfte senken.

Das ist zwar so, als würde ein Pornofilmproduzent einem echten Filmemacher erklären, wie er auf billigere Weise Schrott produzieren kann, aber letztlich liegt Frank Schmidt damit voll im Trend. Die deutsche Aldi-Kultur sieht im Sparen ja seit langem schon die Lösung für alles, und dass es bei Filmen und Serien um so etwas wie "Kunst" gehen könnte, fällt ja auch wirklich schwer zu glauben, wenn man sich so manche deutsche Produktion ansieht.

Heute darf alles nichts kosten. Nicht in der Herstellung, nicht beim Verbrauch. Die Produzenten von Videospielen setzen angeblich bereits voll auf Free-to-play-Titel, in der schwachen Hoffnung, später die Spieler mit virtuellem Schnickschnack abzuzocken. Nintendo spart auch und hat noch nicht einmal einen Stand auf der Games-Con, und das in einem Jahr, in dem Nintendo mit einer neuen Konsole auf den Markt gehen will. Da hat sicher auch irgendwer im Management ganz schlau entschieden: Wir sparen lieber.

Doch was in der Medienbranche keiner zu kapieren scheint: Das alles ist nicht mit Aldi vergleichbar. Aldi konkurriert mit dem teueren Supermarkt um die Ecke. Der Entertainment-Bereich konkurriert mit Freibier. Glauben TV-Sender und Spielehersteller wirklich, im Zeitalter von Internet und Youtube mit der Herstellung von Billigschund überleben können? Heute kann jeder mit seinem Handy einen Film in High Definition aufnehmen, zurechtschneiden und im Internet publizieren. Wer braucht da noch den gleichen Amateurdreck im Fernsehen?

Dabei müsste doch jedem einleuchten, dass man gegen kostenfreiem Schund nicht mit billigem Schund anstinken kann, sondern nur mit Qualität. Oder glaubt irgendwer, man könne neben einer Freibier-Schenke besonders gut billig produziertes Bier verkaufen? Pay-TV-Sender in den USA  erkennen das längst. Sie ködern die Kundschaft mit Serienqualität, die der Kunde im Free-Bereich vergeblich sucht.

Aber ich bin zuversichtlich. Das Kino galt auch einst als "tot", weil es gegen das Fernsehen nicht ankam. Dann hat man erkannt, dass man dem Zuschauer im Kino eben etwas bieten muss, das er auf dem heimischen Fernseher nicht findet. Das hat eine Zeit lang mit billigen Sex- und Horrorfilmchen geklappt. Dann kam das Medium Video auf, der Zuschauer konnte sich sein eigenes Programm gestalten. Die Kinos haben überlebt, indem sie zu riesigen Multiplexen heranwuchsen und die Zuschauer mit gigantischen Blockbustern köderten. Hätte man damals auf "geht auch billiger"-Leute wie Frank Schmidt gehört, das Kino wäre tatsächlich schon mehrfach den Tod gestorben, den man ihm immer wieder prophezeit hat.

Dienstag, 21. August 2012

Dünnschiss

Ich frage mich, ob die Macher der Serie "Winx Club" mit der Diätindustrie zusammen arbeiten.

Allein in Europa setzt die Diätindustrie jährlich fast hundert Milliarden um. Und da wir heutzutage alle Gewinnwachstum brauchen, heißt die Devise: Früh übt sich mit dem Diätenwahn. Da reicht es nicht, magersüchtige Ernährungsberaterinnen in Kindergärten und Schulen zu schicken und dort dem biegsamen Nachwuchs einzureden, dass sie fettarme Rohkost essen sollen. Denn Kinder lassen sich selten von etwas abschrecken, das Erzieher und Pädagogen anprangern. Bilder sind viel stärker. Angeblich wurden viele Frauen auf den Fidschi-Inseln nach nur wenigen Jahren essgestört, nachdem bei ihnen das Fernsehen eingeführt worden war. Es reichten Serien wie "Baywatch", und die Essstörung verbreitete sich wie ein Fieber.

Und beim Einsuggerieren von Bildern kann man nicht früh genug anfangen. Vor Jahren noch nahm man Kindern den "Struwwelpeter" weg, weil er als zu "brutal" und "unpädagogisch" galt. Heute hätte man wahrscheinlich Angst, dass sich die Kinder zum Suppe-Essen animiert fühlen könnten. Der heutige Suppenkaspar wäre wohl einer, der zu viele Pommes isst, die "gesunde Rohkost" verweigert und am Ende wegen Verfettung im tiefen Grab landet. Und der Hans-Guck-in-die-Luft würde wahrscheinlich am Bubble-Tea ersticken, weil er nicht auf die Warnungen seiner Mama gehört hat.

Früher waren Kinderfiguren anders. Eine Biene Maja war mollig. Heidi war pausbäckig. Der Trotzkopf war rund und glücklich. Doch heute werden auch die Mainzelmännchen immer dünner. Der aktuelle Kult um Models verzerrt mehr und mehr ein weibliches Idealbild. Dieses Idealbild wird nicht von den Sexphantasien von Männern geprägt, im Gegenteil. Models auf dem Laufsteg sollen makellos, aber nicht erotisch sein. Denn Erotik würde von dem ablenken, was die Hauptsache auf dem Laufsteg ist, und das ist nicht das Model, das ist die Kleidung, die präsentiert wird. Daher bevorzugen Modeschöpfer "wandelnde Kleiderständer".

Manche Mädchen, die in die Pubertät kommen und mit den Veränderungen ihres Körpers zurechtkommen müssen, fühlen sich von diesen Bildern angezogen, weil dort unerotische, mädchenhafte Frauen gezeigt werden, die dennoch Erfolg haben und bejubelt werden. Das mag zu einer Zeit, in der die eigene Sexualität auch Ängste auslöst, auf fruchtbaren Boden fallen.

So gesehen ist es nur von Vorteil, dass sich Ferero nun der Problematik angenommen hat. Und zwar hochoriginell mit einer neuen Reihe von Überraschungseiern. Extra für Mädchen, oder besser gesagt: "Nur für Mädchen!" Da stört es auch gar nicht, dass diese Winx-Figuren vor einigen Jahren schon einmal in den normalen Ü-Eiern enthalten waren (damals durften die wohl auch noch Jungs kaufen), viel wichtiger scheint mir, dass von nun an jedes Mädchen bei einem Blick auf so ein magersüchtiges Feen-Gerippe gleich eine gehörige Portion Schokolade dazu bekommt. Und da diese Winx-Mägersüchtigen nur in jedem siebten Ei sind, gibt es theoretisch für jede Winx-Figur sieben Mal Schokolade.

Das ist doch endlich einmal eine überzeugende Methode, auf verantwortungsvolle Weise einer drohenden Magersucht gegenzusteuern.

Montag, 20. August 2012

Der Alleskönner

Kürzlich feierte der Commodore 64, der erste große Heimcomputer, sein dreißigjähriges Jubiläum.

Ich gehöre zu der Generation, die mit dem C-64 einen Großteil der Jugend und des beginnenden Erwachsenenalters verbracht hat. Ich spielte darauf Spiele, tippte an langweiligen Wochenenden endlose Texte aus Zeitschriften ab, programmierte sogar einige Adventures in BASIC und spielte allerlei Spiele. Auch meine Facharbeit schrieb ich auf dem C-64, und natürlich unzählige Briefe und Geschichten. Außerdem brachte ich Fanzines heraus, die ich am C-64 layoutete.

Um die Erfolgsgeschichte des Commodore 64 zu verstehen, muss man sich einen Satz ansehen, der damals, auf dem Höhepunkt der Commodore-Euphorie, in einer Zeitschrift geäußert wurde: "Gibt es irgendetwas, das der C64 nicht kann?"

Das genau spiegelt die damalige Stimmung wider. Das Gerät wurde nicht nur von seinen Nutzern entdeckt, sondern auch von den Programmierern. Woche für Woche schien man den C-64 neu auszureizen. Und als Anwender war man überwältigt von flüssigen Animationen und grandiosen Soundtechniken.

Etwas Vergleichbares hatte es noch nie gegeben. Ein Gerät, dessen Potenzial sich immer wieder erweiterte. Wer sich bis dahin einen Farbfernseher gekauft hatte, der wusste sofort, was er daran hatte. Er bekam nicht fünf Jahre später Farben zu sehen, die er zuvor noch nie auf seinem Fernseher entdeckt hatte. Nicht so beim C-64. Immer wieder wurde einem bescheinigt, wie vielfältig, nützlich und unergründlich leistungsstark der C-64 war. Unentwegt zeigte das Gerät neue Talente und Fähigkeiten.

Im Verlauf der 1990er Jahre wurde der C-64 vom "Personal Computer" verdrängt. "Personal" hieß: Jeder konnte sich seinen Computer nach eigenen Bedürfnissen und Vorlieben zusammenbauen. Dagegen hatte der C-64 auf Dauer keine Chance. Dennoch: Die Faszination für Computer hat sich nachhaltig in die Generation der "C-64er" eingebrannt. Der Glaube, der Computer sei ein Gerät, in dem unendliche Möglichkeiten schlummern, wird also erst mit den nächsten Generationen schwinden.

Die Generation "nach" dem C-64 erlebte Computer anders. Für sie sind es Geräte, die schnell veralten und ersetzt werden müssen. Jeder Computerkauf ist im Grunde ein Kompromiss, stets weiß man, dass man – hätte man das nötige Kleingeld – noch bessere Graphik- oder Soundkarten hätte einbauen können, oder dass man für etwas mehr Geld einen noch besseren Prozessor bekommen hätte. Computer sind Tools mit Ablaufdatum und selbst auferlegten Beschränkungen, und jedes noch so teuere Feature ist morgen schon reiner PC-Schrott.

Anhaltende Wow-Effekte gibt es längst keine mehr. Wer sich ein iPad kauft, wird vielleicht dauerhaft daran seinen Spaß haben, aber er wird nicht über Monate oder gar Jahre hinweg überrascht sein, was alles in diesem Gerät steckt. Vielmehr wird man als iPad-Nutzer schnell an die Grenzen des Geräts stoßen und zugleich wissen, dass das Nachfolgegerät wohl schon in den Startlöchern steht.

Die "Faszination Computer" wird es für künftige Generationen in dieser Form schlichtweg nicht mehr geben. Und auch als Statussymbol wird sich der Computer nicht mehr sehr lange eignen, Apple hin oder her. So wie heute niemand mehr eindrucksvoll nickt, wenn jemand zu Hause eine Stereo-Anlage von irgendeiner Marke hat, wird es in Zukunft egal sein, welchen PC, welches Notebook oder welches Pad man gerade nutzt. Man nutzt es, und das war es auch schon.

Mittwoch, 8. August 2012

Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht

Von 1964 bis 1970 lief auf dem ZDF die enorm populäre Unterhaltungssendung "Der Goldene Schuss". Nach fünfzig Episoden wurde die Sendung eingestellt, obwohl die Sehbeteiligung noch immer Spitzenwerte von über siebzig Prozent aufwies. Beim ZDF wollte man etwas anderes ausprobieren.

Ein solches Vorgehen wäre heute undenkbar, jeder würde am Verstand desjenigen zweifeln, der eine solche Entscheidung auch nur befürwortet. Unsere neuen Götter heißen Gewinnmaximierung und Profit. Heute würde man bei einer Sendung wie "Der Goldene Schuss" die Zahl der Episoden vervielfachen und am besten noch drei Spin-Offs planen. Bis es irgendwann niemand mehr hätte sehen können.

So erlebt man es bei "The Avengers". Natürlich kommt nun ein zweiter Teil, zudem kriegen nahezu alle Avengers-Figuren ihre eigenen Filme, zugleich wird auch noch eine TV-Serie vorbereitet. Dem "Herr der Ringe"-Erfolg schiebt man nun drei Filme nach, die auf einem kleinen Buch und einigen Materialien basieren. Heute reagiert "der Markt" sofort auf Erfolge. Mussten Verlage früher regelrecht genötigt werden, "Star Trek"-Romane zu produzieren (obwohl die sich in traumhaften Auflagenhöhen verkauften), so kann man heute sicher sein, dass jeder Trend sofort unzählige Bücher nach sich zieht und die Leserschaft überflutet.

Und nein: Jetzt kommt nicht die übliche Predigt über das "Melken von Kühen", in der die Worte "ausschlachten", "Abzocke" oder "Übersättigung" vorkommen. Denn Vorsicht vor vorschnellen Wertungen! Eine Nachfrage zu bedienen ist ja nicht generell falsch. Heute empören wir uns darüber, dass das ZDF damals nicht alle Folgen von "Star Trek" oder "Mit Schirm, Charme und Melone" eingekauft hat, mahnen aber gleichzeitig zur Mäßigung. Natürlich macht es keinen Sinn, jemanden, der gerne Hamburger isst, plötzlich zwanzig Stück davon vorzusetzen. Andererseits wäre es ebenso Unfug, ihm den Hamburger wegzunehmen und oder ihm nur ab und zu einen essen zu lassen.

Gibt es einen Mittelweg? Und wer würde von diesem Mittelweg profitieren? Der Fan? Die Macher? Würde "Star Trek" heute besser dastehen, hätte man nach der "Next Generation" aufgehört? Würde der Vampirboom doppelt so lange anhalten, wenn man nur halb so viele Filme, Serien und Romane herausbringen würde? (Und würde es dann in Sachen Profite nicht auf das vollkommen Gleiche hinauslaufen?) War es eine gute Sache, bei "Indiana Jones" und "Star Wars" die Fans jahrzehntelang auf eine Fortsetzung warten zu lassen, um einer "Übersättigung" vorzubeugen? Und zeigten die Ergebnisse, dass sich das Warten gelohnt hat, dass es eine bessere Qualität erzeugte? Oder wären die Filme vielleicht besser geworden, wenn man sie damals gleich im Anschluss an die ersten drei produziert hätte?

Und dieses Blog? War die lange Pause gut, oder ist die jetzige Übersättigung besser, mit vielen Blogeinträgen, in denen der Schreiber noch nicht einmal eine klare Meinung zu haben scheint?

Montag, 6. August 2012

Hesse

Vielleicht von ein paar Reisebeschreibungen abgesehen habe ich alles von Hermann Hesse gelesen. Da sich nun sein fünzigster Todestag (9.8.62) nähert, hat die Zeitschrift "Spiegel" dem Schriftsteller ihren Titelbeitrag gewidmet.

Noch vor einigen Jahren wäre das für mich ein willkommener Anlass gewesen, loszueilen und mir das Heft zu holen. Und ich will gar nicht ausschließen, dass ich das nicht noch tun werde. Aber es reizt mich im Moment kein bisschen. Der Grund: Ich verspreche mir von dem Beitrag rein gar nichts.

Tue ich das, weil ich mir einbilde, über Hermann Hesse ohnehin schon alles zu wissen? Ganz sicher nicht. Bestimmt wird auch dieser Beitrag mit ein paar interessanten Fakten glänzen, die der Autor ausgegraben hat.

Ich verspreche mir von dem Beitrag wenig, weil ich inzwischen ein Muster erkenne, wie die Autoren beim "Spiegel" ticken. Mit leicht ironischem Ton wird sich der Autor – so meine Vermutung – über alle erhöhen. Über Hesse, über seine unkritischen Fans und über seine fanatischen Kritiker. Unterschwellig wird er den Hesse-Kritikern einen Mangel an Jugendlichkeit, den Hesse-Fans einen Mangel an Reife und Hesse selbst ein mangelhaftes Gespür für Kitsch unterstellen. Und über allem thront dann der Schreiberling, der das alles von einer göttlichen Perspektive beobachtet, durchschaut und kommentiert.

Und genau diese Selbstüberhöhung ödet mich inzwischen so an. Da werden uralte Phrasen und seit Jahren kursierende "Erkenntnisse" wiederholt, obwohl nichts davon in der Lage ist, das Phänomen Hesse zu erklären. Und durch die ironische Überhöhung, durch das schmunzelnde Betrachten und das Einstreuen provokanter Thesen tut man so, als würde man die Dinge besser "durchschauen". Dabei wird gar nichts durchschaut, es wird nur alles verzerrt, damit sich der Autor und der sich mit ihm verbündende Leser schlau und überlegen fühlen dürfen.

Und genau das langweilt mich mehr und mehr.

Freitag, 3. August 2012

Besser gehts nicht

Natürlich habe ich mich als "Dallas"-Fan riesig auf die neue Serie gefreut. Und natürlich war ich auch skeptisch. Die zwei TV-Filme, die man der Serie einst hinterherschob, waren schlichtweg grausig gewesen. Einen Serienkult wie "Dallas" wieder auferstehen zu lassen, beinhaltet so viele Fallstricke und Gefahren, dass es gründlich in die Hose gehen kann.

Ich glaube, selten hat mich im TV etwas so positiv überrascht wie das "Dallas"-Spin-Off. Die Serie lebt vom Ruf des Alten und nutzt es als Fundament, um darauf aufzubauen. Zugleich widerstanden die Autoren der großen Versuchung, die Figuren von einst als plumpe Klischee-Bilder zu missbrauchen. Die Charaktere wirken wieder so vielschichtig und plastisch wie einst in den Anfängen von "Dallas". Modernisiert wurde das, was moderne Serien im Vergleich zu früher tatsächlich auszeichnet: Das höhere Erzähltempo, die verschlungeneren Story-Pfade, der Mut zu Überraschungen.

Nichtsdestotrotz ist und bleibt "Dallas" eine Soap. Aber eben eine, die sich daran erinnert, dass "Dallas" eben nicht stets der alberne Quatsch war, bei dem auch mal eine ganze Season geträumt wurde, sondern eine Serie, die Themen wie Erbkrankheiten und Brustkrebs ins Fernsehen brachte und die es wagte, moralische Grautöne anzuschlagen.

Die neue "Dallas"-Serie hat das Erzähltempo von "Desperate Housewives", die Ernsthaftigkeit von "Six Feet Under" und den Charme und Witz der alten Serie. Die Serie macht alles richtig und ist eine Qualitäts-Soap durch und durch. Nächste Woche läuft in den USA bereits das Finale der ersten Staffel, die traditionsgemäß mit einem Cliffhanger enden soll. Zum Glück geht es danach bereits im Januar 2013 weiter.

Donnerstag, 2. August 2012

I spit on this film

Stephen King verglich in seinen Buch "Danse Macabre" den Horrorfilmfan mit einem Goldschürfer, der längst die Hoffnung auf den großen Fund aufgegeben hat und der sich gerade mal so mit sehr viel Durchschnitt über Wasser hält.

Aufgrund dessen geht man als Horrorfilmliebhaber jeder noch so dünnen Empfehlung nach, was dazu führte, dass ich mir den Film "I Spit On Your Grave" sogar in der ungekürzten österreichischen Fassung geholt habe.

Der Film handelt von einer jungen Frau, die von einer Gruppe Männer vergewaltigt wird. Nach einem Monat taucht sie überraschend auf und rächt sich auf brutale Weise an jedem einzelnen.

Der Film versucht, diese dünne Handlung durch allerlei Charakterdarstellung aufzuwerten. In der ersten Hälfte des Films gelingt dies auch einigermaßen, bis hin zur detailliert inszenierten Vergewaltigung. Spannung wird dadurch dennoch keine erzeugt, doch bis dahin fragt man sich neugierig, ob der vom Film angestrebte Realismus sich auch auf die zweite Hälfte erstreckt.

Doch seltsamerweise macht der Film noch nicht einmal den Versuch, den Stil der ersten Hälfte zu bewahren und verfällt plötzlich in unsagbar typisches und vollkommen unoriginelles Horrorfahrwasser, bis man sich nur noch fragt, wieso man sich als Zuschauer überhaupt durch diese lange, ausufernde und auf Realismus getrimmte Vergewaltigungsszene quälen musste, wenn man dann letztlich doch nur mit unrealistischem Horrorquatsch, wie er in jedem x-beliebigem Unfug vorkommen würde, "belohnt" wird.

Was bleibt, ist ein ärgerlich schwacher Film, der versucht, großes Psychodrama zu sein, dann aber zu gnadenlos konventionellem Splatterschmarren verkommt. Ein Film, der sein schwaches Niveau gerade dadurch offenbart, indem er vorgibt, mehr sein zu wollen als er ist: Banaler, langweiliger und dümmlicher Splatter.

Mittwoch, 1. August 2012

Ernährungsmittelalter

Heute wundert man sich gerne, wie lange Menschen sich weigerten, anzuerkennen, dass Hygiene bei Krankheiten mehr bewirkt als das Verbrennen von Menschen und Katzen. Oder dass man nicht glauben wollte, dass sich die Erde um die Sonne dreht.

Damals, so heißt es dann immer, war man noch nicht so aufgeklärt. Doch was ist unsere Entschuldigung, wenn wir an haarsträubenden Esoterikblödsinn glauben, ohne ihn zu hinterfragen?

Nein, ich meine damit nicht das "Wünsch dir was"-Universum, die "Entschlackung" des Körpers oder die Geistheilungen. Ich spreche von den Kalorien im Essen.

Der Begriff Kalorie stammt ursprünglich aus der Physik und ist eine veraltete Maßeinheit für Wärmeenergie. Natürlich verstehen wir heute etwas anderes darunter. Mit dem Begriff Kalorien treffen wir Aussagen über unsere Lebensmittel.

Doch wie misst man eigentlich den Kaloriengehalt von Nahrung? Man benutzt dafür ein Gerät, das Bombenkalorimeter heißt. Das ist ein Container, den man mit Wasser füllt. In dieses Wasser wird eine Stahlkugel gelegt, in der sich die zu messende Nahrung befindet. Dann führt man einen glühenden Draht in die Kugel ein, die Nahrung wird entzündet und verbrannt. Gemessen wird, um wie viel Grad sich das Wasser erwärmt. Befinden sich im Container 1000 Gramm Wasser und werden diese durch das Verbrennen der Nahrung um 2 Grad erwärmt, dann hatte die Nahrung 2 mal 1000 Kalorien bzw. zwei Kilokalorien.

Und jeder, der das hier liest und zumindest noch sein Stammhirm aktiv hat, wird sich fragen: Häh? Stimmt das wirklich? So ein Unfug kann doch unmöglich etwas darüber aussagen, ob eine Nahrung dick macht oder nicht?

Natürlich nicht! Der Bombenkalorimeter war auch ursprünglich dafür gedacht, die Qualität von Brennmaterialien für Dampfmaschinen zu bestimmen. Ein Stück Kohle im Bombenkalorimeter bringt mehr Kalorien als ein Stück Holz. Allein daran sieht man, dass sich das auf den Menschen nicht übertragen lässt. Ein Mensch wird nämlich weder von dem Stück Holz noch von dem Stück Kohle dick, er scheidet beides einfach wieder aus.

Auch wenn immer wieder der Begriff "Fettverbrennung" durch die Medien geistert, der Stoffwechsel im menschlichen Körper hat rein gar nichts mit einer "Verbrennung" zu tun. Nahrung wird im Körper abgebaut oder zerteilt und neu zusammengesetzt. Das alles ist individuell sehr verschieden, auch die Menge dessen, die der Körper als unverwertbar einstuft und ausscheidet.

Hinzu kommt, dass Nahrung immer wieder anders ist. Eine Hand voll Getreide ergibt im Bombenkalorimeter immer wieder neue Zahlen, abhängig von Zustand und Herkunft der Nahrung. Ein Brot, das etwas schärfer gebacken ist, ergibt im Bombenkalorimeter plötzlich andere Werte. Bei den "Kalorientabellen" wird aber stets von Einheitswerten ausgegangen.

Wir haben also einen Messwert, der keinerlei Aussagekraft hat. Der, selbst wenn er diese Aussagekraft hätte, vollkommen ungenau und bei jedem vergleichbaren Lebensmittel immer wieder vollkommen anders wäre. Und der dann noch auf vollkommen unterschiedliche "Maschinen" treffen würde, denn jeder Mensch ist anders. Die Kalorienzahl hat daher nichts mit Wissenschaft zu tun. Es ist pure Quacksalberei, ein Aberglaube aus dem 19ten Jahrhundert, der sich heute zum Massenwahn und einem riesigem Geschäftsfeld ausgeweitet hat.

Dennoch hat die Europaische Union beschlossen, dass ab dem Jahr 2014 die Kalorienzahl verpflichtend auf jedem Lebensmittel abgedruckt sein muss. Man nennt das "Verbraucherschutz". Dabei müsste der Verbraucher viel mehr vor schwachsinnigem und wissenschaftlich blödsinnigem Esoterik-Halbwissen im Gewand von Ernährungsempfehlungen beschützt werden.

Bis es so weit ist, fordere ich, neben der Kalorienzahl bitte noch das Sternzeichen und die Stellung des Mondes bei Verpackung und geratenem "Ablaufdatum" des Lebensmittels abzudrucken. Und vielleicht könnte man zusätzlich "hochkalorischen" Lebensmitteln noch einen Ablassbrief für die potenzielle Esssünde beilegen. Das würde all diese Tabellen und Zahlen, die echte Wissenschaft und glaubhafte Präzision vortäuschen, zumindest ins rechte Licht rücken.

Hier ein paar Links für alle, die sich mit dem Thema befassen wollen:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/mahlzeit/697274/ 

http://www.welt.de/print-welt/article182457/Der-Koerper-holt-es-sich.html