Mittwoch, 2. März 2011

Der schwerste Schritt seines Lebens

"Dies ist der schwerste Schritt meines Lebens!" Das waren die Worte von Karl-Theodor zu Guttenberg. Damit meinte er seinen Rücktritt von den politischen Ämtern.

Verstehe. Das einzige, das dieser Mann bedauert, ist der Verlust von Macht und Prestige. Dabei hätte es in seinem Leben ganz andere "schwere Schritte" geben müssen. Einer der schwersten Schritte seines Lebens hätte sein müssen, seinen Doktorvater Professor Peter Häberle zu belügen, ihm eine Arbeit vorzulegen, die zu großen Teilen (oder im Fall eines Ghostwriters vollständig) nicht von ihm verfasst wurde. Der schwerste Schritt seines Lebens hätte es sein müssen, für einen derartigen Betrug ungeniert ein "summa cum lauda" zu kassieren und damit zu prahlen. Der schwerste Schritt seines Lebens hätte es sein müssen, die Kanzlerin und die Wähler mit dem Gerede von "ein paar vergessenen Fußnoten" für dumm zu verkaufen.

"Der schwerste Schritt meines Lebens", das sagt ein Mann, der schon mehreren Beerdigungen beiwohnte. Beerdigungen von Soldaten, die für einen mehr als fragwürdigen Krieg gefallen sind.

Doch das alles war für von Guttenberg offenbar nie ein "schwerer Schritt". Denn es verhalf ihm zu dem, was er einzig und allein und mit allen Mitteln anstrebte und woran er sich später klammerte: Macht und Prestige.

Einem Mann, dem es allein um Macht und Prestige geht, dem ist es egal, wie er zu Einfluss und akademischen Titeln kommt. Hauptsache, er kriegt sie. Und konsequenterweise ist der Verlust von Macht und Prestige für einen solchen Mann dann auch das Schlimmste, das ihm passieren kann.

Leider ist von Guttenberg hier keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil. Er ist der typische, moderne Politiker. Heute geht es niemanden mehr um die Sache. Es geht um Macht. Und um Machtkämpfe. "Nach der Wahl ist vor der Wahl", das geben Politiker ganz unumwunden zu, und begreifen dabei gar nicht, dass sie vom Volk nicht gewählt wurden, um Wahlkampf zu machen. Sie sind gewählt worden, um gute Regierungsarbeit zu leisten. Und zwar nicht für Finanz-, Pharma- und Energiekonzerne. Auch nicht für die "Bild"-Zeitung. Sondern für den Bürger.

Leider ist das der Nachteil des demokratischen Systems. Es hilft denen nach oben, die nicht für die Sache, sondern für ihre eigene Macht kämpfen. Die es gelernt haben, mit fragwürdigen Medien zu kooperieren. Die auf die Unterstützung finanzstarker Geldgeber vertrauen können, weil sie bereit sind, sich in der Amtszeit gefällig zu erweisen.

Viele durchschauen es und wenden sich ab. Dann sprechen die Politiker gern von "Politikverdrossenheit", und erkennen gar nicht, wo diese Verdrossenheit herkommt, wollen nicht wahrhaben, dass der Fisch vom Kopf stinkt, und dass sie die Basis nicht auf Dauer verarschen können.

Ab und zu gelingt die Verarsche. Dann gelingt es kurz, den Wählern vorzumachen, es ginge "um die Sache". Den Grünen gelingt dies im Moment zum Beispiel ganz gut. Sie stellen sich gegen zu niedrige Hartz IV-Sätze und Stuttgart 21, obwohl sie beides einst mitentschieden haben. Und es gelang von Guttenberg. Darin war er Meister. "Guttenberg war ein Mann, mit dem man sich als Wähler identifizieren konnte", meinte heute früh ein Anrufer bei "Bayern 3". Und kapiert dabei gar nicht, dass er hier von einem millionenschweren Baron spricht, der für die eigene Macht und das eigene Prestige alles tat. Der sich nicht entblödete, bei einem mehr als notwendigen Besuch der Soldaten im Hindukusch das Fernsehteam eines kommerziellen Privatsenders mitzunehmen.

"Soviel Scheinheiligkeit und Verlogenheit war selten in Deutschland", meinte die Kanzlerin, und sie hat recht. Gestern ist ein kleiner Teil dieser Scheinheiligkeit und Verlogenheit zurückgetreten.

3 Kommentare:

  1. Thomas,
    im Prinzip stimme ich dir voll und ganz zu. Allerdings müssen wir mit dem generellen Politiker-Bashing aufpassen. Letztendlich repräsentieren die Politiker uns Volk recht gut. Auch wir bescheißen doch wo es geht: Bei den Steuern, durch Schwarzarbeit, beim illegalen Downloaden...Ich bin mir ziemlich sicher, dass schon einige Doktorarbeiten plagiiert worden sind (Kann man das so schreiben?)... Natürlich - für vor allem Ämter innehabende Politiker sollen und müssen andere Maßstäbe herrschen, aber wir sollten auch einmal in den Spiegel schauen, bevor wir generell auf Politiker eindreschen. Ich behaupte: Die sind schon irgendwie wie der Durchschnitt des Volkes. Konsequent wäre eigentlich nur, sich selbst zu engagieren, in die Politik, in Verbände zu gehen und ES besser zu machen...

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  2. Das er schlussendlich zurückgetreten ist, kann man ihm ja noch immerhin hoch anrechnen, (Kohl oder Koch hätten es bis zum bitteren Ende ausgesessen) aber das er auf den letzten Drücker noch eine Dolchstoßlegende daraus stricken will ("Medien konzentrieren sich auf meine Person, und nicht auf getötete Soldaten in Afghanistan") ist schon ein starkes Stück.

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  3. Zu Maikel's "Die sind schon irgendwie wie der Durchschnitt des Volkes"

    Das ist wohl leider richtig, aber in einer "idealeren" Gesellschaft würde ich mir wünschen, dass die Führung eines Landes in vielerlei Hinsicht eine Elite im positiven Sinn mit humanistischer Orientierung darstellt.

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