Kürzlich sah ich erstmals den Film "John Carter" auf Blu-ray. Und natürlich kann man einen solchen Film nicht mehr unvoreingenommen sehen. "John Carter" ist inzwischen in erster Linie ein Film, der so gnadenlos floppte, dass daraufhin Rich Ross, Chef der Disney-Filmstudios, seinen Rücktritt bekanntgab.
In der "Star Trek: The Next Generation"-Folge "Peak Performance" (Galavorstellung) spielt der Androide Data mit dem zakdornianischen Meisterstrategen Sirna Kolrami eine Partie des Phantasie-Spiels Strategema. Und selbst Dr. Pulaski ist überrascht, als Data verliert. Data kommt nur schwer über seine Niederlage hinweg, denn er kann in seinen Analysen keinen Fehler entdecken. Daraufhin sagt Picard etwas sehr Kluges zu ihm: "Es ist gut möglich, keine Fehler zu machen und dennoch zu verlieren. Das ist kein Zeichen von Schwäche, das ist das Leben."
In unserer neo-liberal geprägten Welt, in der - trotz völlig unterschiedlicher Startpositionen - angeblich jeder seines Glückes Schmied ist, geriet diese banale Erkenntnis mehr und mehr in den Hintergrund, sie hat sich geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Vielleicht auch deshalb, weil uns die Vorstellung von einer Welt mit klaren Erfolgsregeln Sicherheiten gibt. Weil wir eine Welt, in der mehr von Zufall, Glück und Unglück abhängt als uns allen lieb ist, zu sehr fürchten müssten.
Daher sind viele überzeugt: Wenn irgendwo eine Katastrophe passiert, dann nur deshalb, weil jemand etwas falsch gemacht hat. Krank wird der, der "ungesund" lebt, scheitern tut der, der sich nicht an die Erfolgsregeln hält.
Besonders deutlich merkt man das, wenn ein Film oder ein Buch sehr erfolgreich ist oder gnadenlos floppt. Es dauert nicht lange, und ganze Horden von Superschlauen werden nicht nur erklären, warum das so war, sie werden auch erläutern, warum das geradezu unweigerlich so kommen musste. Von professionellen Journalisten-Analysen bis hin zu banalen Blog- und Facebookeinträgen wird das Credo letztlich immer gleich ausfallen: Erfolg oder Misserfolg waren doch von vorneherein klar.
Daher möchte ich gleich vorwegschicken, dass ich mich nicht in die Reihe der Leute einordnen möchte, die glauben, genau zu wissen und erklären zu können, weshalb ein Film wie "John Carter" floppt, während ein Film wie "Avatar" sehr erfolgreich ist.
Dennoch fiel mir bei "John Carter" ein Element auf, weshalb der Film für mich nicht funktionierte: So phantasiereich der Film in jeder Bildeinstellung war, es fehlte dem Helden nahezu dem ganzen Film über ein Ziel, das als Motiv seiner Handlungen gedient hätte. Was will John Carter? Eigentlich will er gar nichts, er will nur irgendwie wieder nach Hause und seine Ruhe. Er will niemanden wirklich helfen, er will kein Unrecht aus der Welt schaffen oder irgendeine Katastrophe verhindern. Er will nicht die Liebe seines Lebens für sich gewinnen oder einen Tyrannen stürzen. Und die anderen Parteien wissen auch nicht so wirklich, was sie wollen, auch nicht die Gegner, insbesondere diese Gestaltwandler-Thern, die nur irgendwie böse und verschlagen waren, ohne dass es dafür einen erkennbaren Grund gab.
Ob der Film erfolgreicher gewesen wäre, wenn man sich für John Carter ein Ziel überlegt hätte? Wenn er versucht hätte, E.T. nach Hause zu bringen, den weißen Hai zu fangen oder den Ring nach Mordor zu schaffen? Vielleicht ja. Vielleicht auch nicht. Vielleicht hätte ich dann geschrieben, dass der Film großartig war und ich mir sein Scheitern so gar nicht erklären kann. Oder es hätte der Film für mich noch immer nicht funktioniert, weil der Held schablonenhaft, die Darsteller zu durchschnittlich und die Marswelt nicht auch nur ansatzweise so märchenhaft und bezaubernd war wie die Welt von "Avatar".
Letztlich bleibt für mich nur die erstaunliche Feststellung, dass ein Pixar-Regisseur bei Disney einen Film machen konnte, in dem der Held vollkommen unmotiviert handelt und damit gegen eine grundlegende Regel des Geschichtenerzählens verstößt.
Dienstag, 31. Juli 2012
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