In den "Saw"-Filmen geht es um einen wahnsinniger Serienkiller, der aufgrund einer Krebserkrankung gefolgt von einem Autounfall zu einer Erkenntnis gekommen zu sein glaubt: Erst im Angesicht des Todes erkennt man den Wert des Lebens.
Fortan entführt er Menschen, die seiner Meinung nach den Wert des Lebens nicht genug schätzen und unterzieht sie einem grausamen Test. Um diesen Test zu überleben, müssen sie ihren eigenen Körper verstümmeln.
Bislang konzentrierte sich Jigsaw auf Drogenjunkies, Ehebrecher oder Voyeure. Im neuesten Film nimmt er sich Kredithaie und gewissenlose Schreibtischtäter gewinnorientierter Krankenversicherungen vor. Dass gerade jetzt das Geschrei besonders laut wird, ist drollig. Fast scheint es so, als habe die Filmkritik mit Kredithaien mehr Mitleid als mit Ehebrechern. Hier kann man nur rufen: Hallo!!! Ja, Jigsaw ist ein unmoralischer Killer! Und die "Saw"-Filme lassen daran auch nicht den geringsten Zweifel.
Was an den "Saw"-Filmen so fasziniert, ist die clevere Erzählweise. Die Geschichte wird wie ein Puzzle erzählt, und erst am Ende des Films werden die Puzzleteile zusammengesetzt, und der Zuschauer erkennt, dass er den ganzen Film über etwas völlig falsch interpretiert hatte. Zugleich gibt es allerlei Vor- und Rückblenden und Rätsel. In Teil 6 erfahren wir erstmals, was auf dem Zettel stand, den Hoffman in Teil 3 Amanda zugesteckt hat. Und wir erfahren, was in der Kiste war, die Jill in Teil 5 vom Nachlassverwalter Jigsaws erhielt. Allerdings gibt es neue Rätsel, die dann wohl erst in Teil 7 oder 8 aufgedeckt werden.
Bleibt am Ende die Frage: Wenn es doch Niveau hat, wenn es doch verschachtelt und clever erzählt ist, muss es dann wirklich derart brutal sein? Letztlich wird eine solche Frage nur noch von Leuten gestellt, die den Anschluss an moderne Medienunterhaltung verloren haben. Serien wie "Die Sopranos", "Oz", "The Shield" oder "Dexter" haben längst gezeigt, dass Anspruch und Härte einander nicht ausschließen. Warum sollten sie auch? Oder man denke an britische Serien wie "Jekyll" oder "Rom".
"Saw" ist hier nur die logische Fortführung im Kino, und das Kino war schon immer extremer als das Fernsehen, also ist ein noch härterer Level nur logisch. Natürlich erreichen die "Saw"-Filme ein Extrem, das nicht mehr für jeden geeignet ist. Dennoch: Die morbide Atmosphäre, die in jeder Einstellung spürbar ist, würde ohne dieses Extrem schlichtweg fehlen. Gerade weil Jigsaw glaubt, einen unfehlbaren Moralkodex zu haben und sich dabei gängigen Argumenten bedient, brauchen wir den grausamen Überlebenskampf der Opfer, um die scheinbar sozialkritischen Ansätze von Jigsaw als sadistisches Morden zu entlarven.
Die Kritiker an den Fortsetzungen bemängeln, den Machern würde nichts mehr einfallen. Dabei übersehen sie aber: Die "Saw"-Filme wiederholen nicht das gleiche Erzählmuster immer wieder. Nein, sie wiederholen die Geschichte selbst, indem sie im stets gleichen Zeitraum verharren, diesen nur unwesentlich erweitern und in erster Linie die etablierte Story mit Ergänzungen, anderen Perspektiven und neuen Puzzle-Elementen zu einem immer kühneren Konstrukt aufblähen. Natürlich fragen ganz große Schlauberger sich angesichts des inzwischen absurd ausufernden Masterplans Jigsaws (er hat vor seinem Tod sogar die Machtkämpfe seiner geradezu biblischen "Erben" vorhergesehen), wie weit sich das noch treiben lässt, bis es vollkommen unglaubwürdig ist, ohne zu erkennen, dass dieser Gipfel der Absurdität längst überschritten wurde. Letztlich ist doch das Absurde das geradezu philosophisches Prinzip der "Saw"-Filme. Die absurd brutalen, absurd sadistischen und absurd übertriebenen Fallen Jigsaws finden erst in all den Fortsetzungen ein gleichermaßen absurdes Erzählgeflecht als Rahmen.
Genau dieses Geflecht lässt aber die "Saw"-Filme zum Meilenstein des Horrorgenres werden. Auch wenn Teil 1 sicher noch immer der beste Teil war, er wäre ohne die Fortsetzungen sicher vergessen.
Irgendwann wird die Serie enden. Und wahrscheinlich werden neue Filme gedreht, bis sich die Serie endgültig todgelaufen hat. Noch sind die "Saw"-Filme auf der Höhe der Zeit, was phantasievolle Schnitttechnik, Perspektivenwechsel und Ambiente angeht. Mit den "Saw"-Filmen glaubt man in eine völlig eigene Höllenwelt einzutauchen. Selbst "reale" Szenen außerhalb der dampfenden Folterkammer Jigsaws wirken auf eigenwillige Weise verfremdet. Sobald hier Ermüdungserscheinungen auftreten, sollte die Reihe enden. In Teil 6 war von dieser Ermüdung aber noch nichts zu bemerken.
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