Nun habe ich ja in den letzten drei Monaten so einige Computerspiele gespielt. Manche enthielten mehr, andere weniger virtuelle Gewaltdarstellungen. Für mich ist und war dies nie ein Kriterium, ob mich das Spiel reizt. Genauso wie ich mir Filme und Bücher nicht nach dem Grad der Gewalt aussuche. Hier entscheiden allein Story und Genre. (Bei Büchern freilich auch die Qualität des Autors.)
Dennoch habe ich mich mal gefragt: Wie ist es nun? Wie spielt sich ein Ego-Shooter, bei dem man - da braucht man sich nichts vormachen - virtuelle Personen abschießen muss, um zum "Ziel" zu gelangen. Man betreibt also "simuliertes Killen", um das Spiel "erfolgreich" durchzuspielen. Und dank der immer besseren Graphik-Engines sieht manches auch noch extrem "real" aus.
Gleich vorweg: Ich bin überzeugt, dass das von Politikern immer wieder gern geforderte Verbot von "Killerspielen" einfach nur ein bequemer Weg ist, etwas "für die Jugend" zu tun, was nichts kostet. Denn anders als bei familiärer Unterstützung, kostenloser Nachhilfe, Intergrationsprogrammen und vielem mehr, wovon die Jugend eindeutig profitieren würde, gibt es ein Verbot von Spielen zum praktischen Nulltarif. Das ist im Moment wichtiger denn je, denn der Staat braucht das Geld halt dringender für die systemrelevanten Banken. Die Jugend - und das war schon immer ihr Nachteil - wird ja schließlich - wenn überhaupt - erst dann systemrelevant, wenn sie keine Jugend mehr ist. (Dass sie dadurch natürlich bereits jetzt systemrelevant ist, so weit denkt niemand, weil der Mensch bei aktuellen Problemen natürlich dazu tendiert, erst diese zu lösen, bevor er sich die Probleme, die in der Zukunft entstehen, vornimmt.)
Die Debatte über die Auswirkungen von simulierter Gewalt auf den Einzelnen ist nichts anderes als ein seit Jahrhunderten andauernder Glaubensstreit mit sehr überzeugten Anhängern auf beiden Seiten. Da will ich auch gar nichts weiter dazu schreiben.
Vielmehr möchte hier einfach mal meine ganz persönliche Erfahrung mit "brutalen Spielen" schildern.
Das wichtigste Argument im Zusammenhang mit Computerspielen ist ja, dass der Spieler - anders als beim Betrachten eines Films oder beim Lesen eines Romans - die passive Rolle des "unbeteiligten Beobachters" verlässt und quasi selbst den virtuellen Abzug drückt. Damit wird begründet, weshalb ein "James Bond"-Kinofilm "ab 12 Jahren" freigegeben, also für Kinder und Jugendliche geeignet ist, während zum Beispiel das gleichnamige, auf dem Film basierende Computerspiel "James Bond: Ein Quantum Trost" ab 18 Jahren freigegeben ist, obwohl der virtuelle Bond in dem Spiel das gleiche tut wie in dem gleichnamigen Film.
Kritiker von Computerspielen behaupten ja gern, gerade dieses Interagieren erzeuge eine "neue Qualität der Gewaltdarstellung" und sei damit eben nicht mehr vergleichbar mit den Gewaltdarstellungen, wie sie seit Jahrtausenden im Theater, auf Gemälden und in der Literatur üblich sind. Der Spieler sei bei Spielen mit der "Gewalthandlung" viel mehr verstrickt, weil er ja - wie gesagt - selbst die Spielfigur steuert.
Ich kann aus meiner Erfahrung allerdings sagen: Gerade dadurch wird für mich das Dargestellte viel abstrakter. Gerade weil ich die Figur steuere, nehme ich das Gezeigte viel stärker als reine Denk- und Geschicklichkeitsaufgabe wahr. Wenn ich in einem Spiel einen Gegner besiege - und zwar unabhängig davon, ob es bei einem Spiel wie "Final Fantasy" an der richtigen Kombination von Zaubersprüchen oder bei einem Shooter an der gelungenen Kombination von Ausweichen und Schießen lag - freue ich mich. Aber nicht über den Tod der virtuellen Spielfigur, sondern über meinen persönlichen Erfolg, die mir vom Spiel gestellte Geschicklichkeitsaufgabe gelöst zu haben. (Gleichermaßen ärgere ich mich bei einem Misserfolg und einem "Game Over" über mich selbst, weil ich eben nicht in der Lage war, eine zweifellos lösbare Aufgabe zu bewältigen.)
Anders bei einem Film oder einem Roman! Bei einer "24"-Folge empfinde ich emotionale Genugtuung, wenn der fiese Terrorist vom Helden Jack Bauer endlich besiegt wird. Ich schlüpfe viel intensiver in die Rolle des Helden. Ich freue mich, wenn der boshafte Goldfinger durch die Luke des Flugzeugs gesaugt wird. (Auch das halte ich für harmlos. Es ist auch Ausprägung unseres Gerechtigkeitssinns, wenn wir uns freuen, wenn der positiv handelnde Held belohnt und der negativ handelnde Gegner bestraft wird. Ob wir uns nun als Kinder freuen, weil die Hexe im Ofen landet, oder als Erwachsene, weil Bond die Welt vor der Gefahr eines Superschurken befreit hat, macht insoweit keinen Unterschied. Der Unterschied liegt nur darin, dass man die Manipulation im Erwachsenenalter als solche durchschaut, auch wenn man sich - beim Betrachten eines Films - ganz bewusst darauf einlässt.)
Gerade weil ich mich beim bloßen Betrachten eines Films ganz auf Handlung und Figuren einlassen kann, bin ich hier viel manipulierbarer als bei einem Computerspiel, bei dem ich sozusagen durch die Systematik des Spiels "abgelenkt" bin. Anders als bei einem Film, bei dem ich "fremde Emotionen" (die von Schauspielern simuliert werden) dank meiner Spiegelneuronen "übernehme" und "erlebe", bin ich bei einem Spiel viel mehr bei mir selbst. Ich freue mich nicht über den Erfolg der Spielfigur, ich freue mich über meinen eigenen Erfolg. Der liegt aber nicht darin, den vermeintlichen "Bösewicht" besiegt zu haben, sondern darin, eine taktische Herausforderung - und das und nichts anderes ist jedes Spiel - gelöst zu haben.
Leute, die selbst nicht spielen, können sich das wahrscheinlich schlecht vorstellen. Sie werden glauben, die "Selbstjustiz" einer Filmfigur sei schon fragwürdig genug (wenn sich der Zuschauer unreflektiert damit identifiziert), und dies werde im Rahmen eines Computerspiels - durch die angeblich engere Verbindung von Spieler und Spielfigur - noch fragwürdiger. Das ist aber nicht so. Es ist wie im Marionettentheater. Das Publikum wird durch das Spiel der Puppen anders beeinflusst als der Puppenspieler, der die Fäden zieht. Der sieht das ganze nämlich weitaus technischer und damit distanzierter.
Bei einem Computerspieler verwandelt sich der Spieler vom reinen Zuschauer zu demjenigen, der selbst die Fäden zieht. Die Wahrnehmung wird selektiver, ähnlich wie beim Autofahren. Umso fordernder eine Spielszene, umso distanzierter sieht man sie. Umgekehrt: Je mehr gelungene "Cutscenes" es in einem Spiel gibt (so nennt man im Spiel eingestreute Filmsequenzen, welche die Story erzählen, ohne dass der Spieler eine Aufgabe hat), umso stärker wird plötzlich die emotionale Bindung zum Geschehen, umso geringer zugleich die emotionale Distanz, gerade weil ich in diesen Sequenzen zur Untätigkeit verdammt bin.
Donnerstag, 20. Mai 2010
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