Freitag, 2. September 2011

Die Ersatz-Bildzeitung aus der Provinz

Wer an die unverbesserlichen Gegner des Science-Fiction-Genres denkt, der sieht vor seinem geistigen Auge vielleicht ein paar konservative Leute, deren Filmgeschmack irgendwo bei "Der Förster vom Silberwald" oder den "Sissi"-Filmen stehen geblieben ist und die sich gerne darüber aufregen, dass im Radio so viel "englisches Zeug" läuft. Mit anderen Worten: Konservative, Ewiggestrige.

Dabei ist das sogenannte linksintellektuelle Lager viel schlimmer. Dass sich daran nichts geändert hat, zeigte kürzlich ein Beitrag auf "Zeit online", der vorgab, über das 50jährige Jubiläum der Heftreihe "Perry Rhodan" berichten zu wollen, dessen Autor sich stattdessen jedoch nicht entblödete, die Überschrift "Der Ersatz-Hitler aus dem All" zu wählen. Als es Proteste hagelte, wurde die Überschrift in "Der Weltraum als Modelleisenbahn-Keller" geändert. Bravo. Aus einem ignoranten, vorurteilsbeladenen und rufmörderischen Titel wurde also ein ignoranter und vorurteilsbeladener Titel. Welch ein Fortschritt.

Doch das dummdreiste Geschwafel über Science Fiction in der ansonsten doch angeblich so aufgeschlossenen Nicht-Boulevard-Presse hat eine lange Tradition. Bereits 1975 hat der "Der Spiegel" von einem "Kino-Comeback jener hochgradig stupiden TV-Serie, die das ZDF unter dem Titel 'Raumschiff Enterprise' dargeboten hat" (Spiegel 53/75) berichtet, ohne weiter darauf einzugehen, was denn eigentlich an der Serie so "hochgradig stupide" war. Damals glaubte man wohl, dies nicht weiter begründen zu müssen.

1978 war anlässlich des Erfolgs von "Krieg der Sterne" ein Artikel unter dem Titel "Science Fiction – Flucht ins All" (Spiegel 5/78) erschienen, in welchem "Perry Rhodan" als "schlimmste Ausgeburt imperialistischer, faschistischer Zukunftsphantasie" beschimpft und der Titelheld als "Space Adolf" bezeichnet wurde. Weil das offenbar noch nicht reichte, wurde die amerikanische Essayistin Susan Sonntag zitiert, die Parallelen zwischen Science Fiction und Pornografie entdeckt zu haben glaubte. "Die Pornografie ist – genauso wie die Science Fiction – ein Zweig der Literatur, der auf Desorientierung, auf psychische Verwirrung, ausgerichtet ist." Diese doch reichlich hirnrissig klingende Aussage wurde weder erläutert noch erklärt. Es war damals wohl auch egal, Hauptsache, es klang irgendwie wissenschaftlich und diffamierte das Science-Fiction-Genre nach Strich und Faden.

Danach wurde der Psychologe Thomas vom Scheidt zitiert, der "SF-Leser mit dem Rauschdrogen-Konsumenten" verglich. "Vom Scheidt (...) hat in seiner Praxis SF-Freaks psychoanalytisch behandelt und dabei Defekte der seelischen Struktur seiner Patienten entdeckt, die offensichtlich typisch für das Gros der SF-Anhänger sind. Von Freuds Feststellung ausgehend, 'der Glückliche phantasiert nie, nur der Unbefriedigte', stieß er auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, die sich durch 'seelische Zustände von Sinnlosigkeit, tiefster Verlassenheit und Isoliertheit' bemerkbar macht."

Es ist doch eher unwahrscheinlich, dass vom Scheidt seine "Untersuchungen" nach empirisch ernstzunehmenden Kriterien durchführte, so dass die Aussage, die angeblichen Defizite seien "typisch für das Gros der SF-Anhänger" wohl nichts anderes als reine Spekulation und Wichtigtuerei waren. Schade, dass noch niemand die Defizite von Journalisten untersucht hat. Es wäre interessant zu erfahren, welche Motivation manchen aus ihrer Gattung (oder soll man sagen, ein "Gros" ihrer Gattung?) noch heute dazu treibt, ein literarisches Genre mit haltlosen Nazi- und Pornografie-Vergleichen in ein schiefes Licht zu rücken.

Da offenbar so mancher Journalist von Zeit Online auf dieser hinterwäldlerischen Voreingenommenheit der verlängerten Nachkriegszeit stehen geblieben ist und selbst angesichts eines so eindrucksvollen Literatur-Phänomens wie "Perry Rhodan" noch immer nichts besseres zu bieten hat, als hirn- halt- und geistlose Klischees und Vorurteile von vorgestern nachzuplappern, lässt das nur einen Schluss zu: Zeit Online ist die "Ersatz-Bildzeitung aus der Provinz".

4 Kommentare:

  1. Ich weiß gar nicht woher das Gerücht stammt, das Anti-SF Parolen angeblich von den Konservativen kommen. Das Gegenteil ist der Fall! Wer hat den in den 60ern maßgeblich dazu beigetragen, das "Orion" aus dem Programm gekippt wurde - natürlich Günter Grass! Weil Orion angeblich faschistoid sei!!! Facepalm.
    Das Spiegel und Zeit keine Ahnung haben, war mir schon immer klar. Man muss nur mal die Zeit-REview vom jüngsten Planet der Affen durchlesen. Unterste Schublade.
    Geht ungefähr so.
    Hollywood=Scheiße.
    Planet der Affen=Hollywood
    Planet der Affen=Hollywood=Scheiße

    Im ALlgemeinen haben die im Resort "Mainstream Kino" absolut null journalistische Kompetenzen.
    BTW, lächerliche Spiegel-Überschriften gefällig? Bei diesem von der Star Trek Review lache ich mir immer noch ins Fäustchen: "Pyjama-Party im All". WTF? Was soll das eigentlich bedeuten?

    Und noch ein Wort zu den Konservativen. Ich war mal bei einem Abendessen mit Herrn Dr. Rudolf Pfeifenrath von der CSU nahen Hanns-Seidl-Stiftung. Dort hat er sich als Sci-Fi und Trek-Fan geoutet, und von den meist sehr niveauvollen Stories aus dem Genre geschwärmt, die sich angenehm vom restlichen Kommerz-Kino unterscheiden. Na sieh mal an. Da kann sich SS-Veteran Günter Grass (sorry, das musste jetzt sein) eine Scheibe abschneiden.

    AntwortenLöschen
  2. Was erwartest Du von bürgerlichen Zeitungen?

    AntwortenLöschen
  3. Vielen Dank für diesen Post. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen! Du sprichst mir derart aus der Seele. Zeit meines Lebens (53 Jahre) kämpfe ich gegen diese Art Vorurteile. Nein ich bin kein Autor, sondern leidenschaftlicher Leser (... und nebenbei gesagt der Setzer von Sternenfaust).

    Schöne Grüße
    Holger

    AntwortenLöschen

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Du musst Dich nicht registrieren oder einloggen. Genau aus diesem Grund aber muss ich den Kommentar erst prüfen. Das werde ich so schnell wie möglich tun und ihn dann freischalten.