Mittwoch, 1. August 2012

Ernährungsmittelalter

Heute wundert man sich gerne, wie lange Menschen sich weigerten, anzuerkennen, dass Hygiene bei Krankheiten mehr bewirkt als das Verbrennen von Menschen und Katzen. Oder dass man nicht glauben wollte, dass sich die Erde um die Sonne dreht.

Damals, so heißt es dann immer, war man noch nicht so aufgeklärt. Doch was ist unsere Entschuldigung, wenn wir an haarsträubenden Esoterikblödsinn glauben, ohne ihn zu hinterfragen?

Nein, ich meine damit nicht das "Wünsch dir was"-Universum, die "Entschlackung" des Körpers oder die Geistheilungen. Ich spreche von den Kalorien im Essen.

Der Begriff Kalorie stammt ursprünglich aus der Physik und ist eine veraltete Maßeinheit für Wärmeenergie. Natürlich verstehen wir heute etwas anderes darunter. Mit dem Begriff Kalorien treffen wir Aussagen über unsere Lebensmittel.

Doch wie misst man eigentlich den Kaloriengehalt von Nahrung? Man benutzt dafür ein Gerät, das Bombenkalorimeter heißt. Das ist ein Container, den man mit Wasser füllt. In dieses Wasser wird eine Stahlkugel gelegt, in der sich die zu messende Nahrung befindet. Dann führt man einen glühenden Draht in die Kugel ein, die Nahrung wird entzündet und verbrannt. Gemessen wird, um wie viel Grad sich das Wasser erwärmt. Befinden sich im Container 1000 Gramm Wasser und werden diese durch das Verbrennen der Nahrung um 2 Grad erwärmt, dann hatte die Nahrung 2 mal 1000 Kalorien bzw. zwei Kilokalorien.

Und jeder, der das hier liest und zumindest noch sein Stammhirm aktiv hat, wird sich fragen: Häh? Stimmt das wirklich? So ein Unfug kann doch unmöglich etwas darüber aussagen, ob eine Nahrung dick macht oder nicht?

Natürlich nicht! Der Bombenkalorimeter war auch ursprünglich dafür gedacht, die Qualität von Brennmaterialien für Dampfmaschinen zu bestimmen. Ein Stück Kohle im Bombenkalorimeter bringt mehr Kalorien als ein Stück Holz. Allein daran sieht man, dass sich das auf den Menschen nicht übertragen lässt. Ein Mensch wird nämlich weder von dem Stück Holz noch von dem Stück Kohle dick, er scheidet beides einfach wieder aus.

Auch wenn immer wieder der Begriff "Fettverbrennung" durch die Medien geistert, der Stoffwechsel im menschlichen Körper hat rein gar nichts mit einer "Verbrennung" zu tun. Nahrung wird im Körper abgebaut oder zerteilt und neu zusammengesetzt. Das alles ist individuell sehr verschieden, auch die Menge dessen, die der Körper als unverwertbar einstuft und ausscheidet.

Hinzu kommt, dass Nahrung immer wieder anders ist. Eine Hand voll Getreide ergibt im Bombenkalorimeter immer wieder neue Zahlen, abhängig von Zustand und Herkunft der Nahrung. Ein Brot, das etwas schärfer gebacken ist, ergibt im Bombenkalorimeter plötzlich andere Werte. Bei den "Kalorientabellen" wird aber stets von Einheitswerten ausgegangen.

Wir haben also einen Messwert, der keinerlei Aussagekraft hat. Der, selbst wenn er diese Aussagekraft hätte, vollkommen ungenau und bei jedem vergleichbaren Lebensmittel immer wieder vollkommen anders wäre. Und der dann noch auf vollkommen unterschiedliche "Maschinen" treffen würde, denn jeder Mensch ist anders. Die Kalorienzahl hat daher nichts mit Wissenschaft zu tun. Es ist pure Quacksalberei, ein Aberglaube aus dem 19ten Jahrhundert, der sich heute zum Massenwahn und einem riesigem Geschäftsfeld ausgeweitet hat.

Dennoch hat die Europaische Union beschlossen, dass ab dem Jahr 2014 die Kalorienzahl verpflichtend auf jedem Lebensmittel abgedruckt sein muss. Man nennt das "Verbraucherschutz". Dabei müsste der Verbraucher viel mehr vor schwachsinnigem und wissenschaftlich blödsinnigem Esoterik-Halbwissen im Gewand von Ernährungsempfehlungen beschützt werden.

Bis es so weit ist, fordere ich, neben der Kalorienzahl bitte noch das Sternzeichen und die Stellung des Mondes bei Verpackung und geratenem "Ablaufdatum" des Lebensmittels abzudrucken. Und vielleicht könnte man zusätzlich "hochkalorischen" Lebensmitteln noch einen Ablassbrief für die potenzielle Esssünde beilegen. Das würde all diese Tabellen und Zahlen, die echte Wissenschaft und glaubhafte Präzision vortäuschen, zumindest ins rechte Licht rücken.

Hier ein paar Links für alle, die sich mit dem Thema befassen wollen:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/mahlzeit/697274/ 

http://www.welt.de/print-welt/article182457/Der-Koerper-holt-es-sich.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Du musst Dich nicht registrieren oder einloggen. Genau aus diesem Grund aber muss ich den Kommentar erst prüfen. Das werde ich so schnell wie möglich tun und ihn dann freischalten.