"Konjunkturerwartungen sinken überraschend deutlich" schreibt die Welt hier. Und es heißt: "Der ZEW-Index fällt erheblich."
Wahnsinn! Der ZEW-Index fällt.
Heute redet man nicht mehr übers Wetter, man redet darüber, was das Barometer vorhersagt. Und dass es auch schon mal gern was anderes vorhersagt, als man selbst vorhergesagt hätte. Oder dass es nicht das vorhersagt, was ein anderes Barometer ein paar Wochen vorher verhersagte.
Was nun ist der ZEW-Index? Der entsteht aufgrund von Mitarbeitern in einem Mannheimer Institut. Die rufen einmal im Monat 400 Spekulanten und Analysten an und fragen: "Na, was denkt ihr wohl? Geht es im nächsten halben Jahr mit der Konjunktur aufwärts oder abwärts."
Diese anderen Wahrsager geben dann drei mögliche Antworten. Wird besser, bleibt gleich, wird schlechter. Die, die sagen: Bleibt gleich, werden gleich mal in den Papierkorb geworfen. Sie spielen keine Rolle. Nehmen wir an: 30 Prozent sagen: Wird besser. 40 Prozent sagen: Wird schlechter. Dann kommt ein ZEW-Index-Wert von -10 heraus.
Wobei der ZEW-Index selten einfach nur eine -10 wäre. Denn bei 400 Befragten kann man da schon immer brav eine Stelle nach dem Komma angeben. Im Vormonat lag der Wert also bei 21,2 Punkten, jetzt liegt er bei 14 Punkten.
14 Punkte. Das kann heißen: 10 Prozent sagten, wird schlechter. 24 Prozent sagten: Wird besser. Es kann aber auch heißen: 40 Prozent sagten, wird schlechter. 54 Prozent sagten: Wird Besser. Es kann aber AUCH heißen: Gar keiner sagte, es wird schlechter, während 86 Prozent sagten, alles bleibe beim alten und nur 14 Prozent erhoffen sich eine Verbesserung.
Mit anderen Worten: Diese Zahl ist vollkommen für den Arsch. Da ruft ein Wahrsager bei 400 anderen Wahrsagern an und ermittelt daraus eine Zahl, die noch nicht mal wirklich was über die Stimmung bei den Wahrsagern aussagt. Und weil die Medien offenbar allesamt an geistiger Fäulnis kranken, zugleich aber die leeren Flächen in den Magazinen und ihre Online-Seiten dringend mit Geschwafel füllen müssen, wird darüber auch noch berichtet!
Über einen solchen Stuss wird echt berichtet!!!
Nicht nur das: Man befragt "andere" Wahrsager, die ebenfalls Wahrsage-Werte wahrsagten und die nun über die neuen Wahrsage-Zahlen überrascht sind, was sich dann in Sätzen wie "Zuvor befragte Analysten hatten im Mittel mit einem leichten Rückgang auf 21,0 Punkte gerechnet." äußert.
Und wer jetzt denkt, damit wäre der Wahnsinn am Ende: Aber nicht doch! Denn der ZEW-Index wird von anderen Wahrsagern weiterverarbeitet. Und zwar vom viel prominenteren "ifo-Geschäftsklimaindex"! Da kommt jetzt das "Institut für Wirtschaftsforschung" in München ins Spiel. Die verschicken Fragebögen an Unternehmen, die diese ausfüllen können. Wenn sie wollen. Wenn sie nicht wollen, dann halt nicht. Die kann ja keiner zwingen, bei diesem Schwachsinn mitzumachen. Wenn mich heute einer anruft und fragt, ob ich damit rechne, dass im nächsten Monat das Radioprogramm besser wird, denke ich auch eher: Der hat wohl einen an der Waffel! Könnte mir also vorstellen, dass gerade bei Firmen, denen es gerade nicht so gut geht und bei denen deshalb eine gewisse Hektik herrscht, so ein Fragebogen auch schon mal schnell im Papierkorb landet.
Die Umfragen, die zurückkommen, werden dann nach irgendeinem Schlüssel zusammenaddiert, dann mixt man das noch ein wenig mit dem ZEW-Index, und schon präsentiert man dem staunenden Publikum eine neue Zahl, was dann meist zu folgenden zwei Schlagzeilen führt: "1. Die Zahl ist gut, was beweist, was für eine Spitzenregierung wir haben!" Oder: "2. Die Zahl ist schlecht, was eindeutig beweist, dass wir alle mindestens bis zum 70. Lebensjahr arbeiten müssen."
So tickt also der moderne Mensch. Er glaubt vielleicht nicht mehr an Gott, aber ganz sicher an Zahlen. Sobald man ihm irgendeine Zahl präsentiert, am besten noch mit einer unverständlichen Bezeichnung, einer Kommastelle und garniert mit den Worten "Experten" und "Institut", dann glauben die Menschen vollkommen unhinterfragt, dass diese Zahl irgendwie relevant und aussagekräftig ist.
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