Der Spruch "ich glaube, ich bin im falschen Film" fühlte sich noch nie so treffend an. Da schickt ein Friedensnobelpreisträger heimlich ein Killerteam in ein fremdes, autonomes Land, lässt dort einen unbewaffneten Terroristenanführer töten, sieht per Live-Video zu, und das Volk feiert auf den Straßen und die christliche Regierungschefin eines anderen, demokratischen Landes äußert ihre "Freude" über die gelungene Tötung, während Jack-Bauer-Darsteller Kiefer Sutherland twittert, dass das echte Leben doch machmal "besser" sei als die Fiktion.
Zugleich loben die Republikaner die unter Bush angewandte Foltermethode "Water Boarding", weil die doch so erfolgreich gewesen sei und zu Informationen über Bin Ladens Aufenthaltsort geführt habe (was noch nicht einmal stimmt).
Da muss man sich fragen: Ist es ein plumper Gag, oder geniale Satire, wenn David Letterman - vor den "die Top-10 letzten Terroristenworte" - sein Publikum fragt: "Did you folks enjoy the Osama Bin Laden season finale?" Jimmy Kimmel zeigte einen Fake-Trailer für den neuen "Bin Laden"-Film, bei dem man Spaß mit seiner Leiche hat. Außerdem meinte er, seit Bin Ladens Leiche im Ozean schwimme, würde er sich nicht mehr so schuldig fühlen, wenn er beim Baden ins Meer pinkelt.
Dagegen ist die Bild-Zeitung ja fast schon niveauvoll. Sie bescheinigt der "einzigen Super-Macht" nur mal schnell ein "Recht auf Rache".
Zugleich sind aufgrund der Jubelstimmung die Aktienkurse gestiegen, was mich zu der Überlegung führt, ob man für die nächste Finanzkrise nicht ein paar Oberterroristen zum Abschießen in Reserve halten sollte.
Gabor Steingart meinte im Morning Briefing des Handelsblatts, die Tötung Bin Ladens sei ein "Riesenerfolg für die westliche Welt". Das ist dümmster Blödsinn. Wir sind doch hier nicht bei einem Fußballspiel, bei dem am Schluss gerade noch das Siegertor geschossen wurde, auch wenn man das angesichts der jubelnden Massen auf den Straßen glauben könnte. Solche Formulierungen sind auch eine Beleidigung der Toten, die Bin Laden zu verantworten hat. Es ist armselig angesichts eines fragwürdigen Verhaltens der "westlichen Welt", das immer fanatischere und rechtsstaatsfeindlichere Züge annimmt. Das ist auch gelogen angesichts des Problems, dass die "westliche Welt" – wie selbst von den USA eingeräumt wird – um keinen Deut sicherer geworden ist. Der Bin-Laden-Film ruft nach einer Fortsetzung, und das zumindest haben wir aus Hollywood gelernt: Fortsetzungen sind meist furchterregend.
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Lieber Thomas,
AntwortenLöschendu sprichst mir aus der Seele. Thomas Bellut hat es in seinem Kommentar ausgedrückt und damit meine Stimmung wiedergegeben: Ein Gefühl der Fremdheit hat mich befallen. Ich habe mich getrennt gefühlt von diesen Amerikanern, die da auf den Straßen tanzten. Aus den arabischen Ländern ist man das ja gewohnt... Auf der anderen Seite: Wie hätten denn Deutsche in so einem Fall reagiert?
Übrigens: Das kommt ja so oft nicht vor, aber der beste Kommentar zu dieser Sache kam vom Vatikan...
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