Samstag, 5. November 2011

Der Kult-Begründer

Der Tod von H. G. Francis hat mich daran erinnert, wie sehr dieser Autor mich in meiner Jugend geprägt hat. Als Kind habe ich die Hörspiele, die von ihm verfasst wurden, regelrecht verschlungen. Und während Eberhard Alexander-Burgh mit seinen wundervollen Hörspiel-Reihen "Hui Buh" und "Die Hexe Schrumpeldei" ganz sicher meinen schwarz-albern-abstrusen Sinn für Humor geprägt hat, so hat H. G. Francis meine Vorliebe für Science Fiction und Grusel gefördert.


Eines meiner ersten H.-G.-Francis-Hörspiele war "Das Gespenst vom Schlosshotel". Ein junges Ehepaar muss wegen einer gesperrten Brücke in einem Schlosshotel übernachten, wo im Keller ein Geist haust. Ich habe mich zu Tode geängstigt, wusste H. G. Francis doch genau, dass es für Kinder nichts Gruseligeres gibt als ein unheimlicher Keller.


Das Besondere an diesem Hörspiel war der Verzicht auf einen Erzähler, was bei H. G. Francis - im Gegensatz zu allen anderen Europa-Hörspielen - sehr häufig vorkam. Durch H. G. Francis habe ich schon damals gelernt, wie man trockene Information in einen unterhaltsamen Dialog packt. Und ich habe gelernt, wie man es besser nicht machen sollte.


Meine erste große Science-Fiction-Begeisterung war "Commander Perkins". Die Begegnung mit den unheilvollen Weganern, welche die Menschen für den Ursprung des Bösen halten und in rätselhaften Sprüchen Bibelstellen zitieren, war so völlig anders als das, was man damals aus dem Fernsehen kannte. Hier zog sich die Spannung aus Andeutungen, Mystery und Geheimnissen. Historische Geschichten wurden mit Science Fiction erklärt, darunter eine Bibelstelle aus dem Alten Testament.


Das hat nicht zuletzt wegen Erich von Däniken heute natürlich einen langen, albernen Bart, doch damals war es für mich aufregend, neu und geheimnisvoll. Obwohl "Commander Perkins" nur neun Hörspielfolgen hat, die auch noch vorzeitig beendet und deren zweiter Zyklus daher nie aufgelöst wurde (gefolgt von einer zehnteiligen Jugendbuchreihe, in der aber die offene Story der Hörspiele nicht aufgegriffen wurde und die ebenfalls mit einem offenen Ende aufwartet), ist "Commander Perkins" noch heute zu Recht Kult.


Denn wenn etwas genial ist, wenn etwas stimmig ist, wenn etwas faszinierende Charaktere und eine spannende, originelle Story hat, dann interessiert es nicht, ob am Ende irgendwelche Detailfragen offen bleiben. Das gilt auch für Serien wie "The Prisoner" oder "Twin Peaks". Das gilt auch für Filme wie "Das weiße Band". Und natürlich auch für "Lost", wo die Macher in dem ultimativ genialen Nachtrag "New Man in Charge" noch einige Fragen beantworteten und damit zeigten, wie uninteressant diese erratbaren Antworten waren (und wie man sich stattdessen als Zuschauer freute, Figuren wie Walt oder Hurley wiederzusehen.)


Fast scheint es so, als habe H. G. Francis damals den kleinen, vor seinem Kassettenrekorder sitzenden Thomas auf diese späteren Kultserien behutsam vorbereiten wollen. Und wenn er die Schuld trägt, dass mich noch heute viel Mainstream-Käse in Kino und TV langweilt, dann wäre allein das schon Grund genug, ihm für alle Zeiten dankbar zu sein.

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