Was heutzutage alles unter dem Begriff "Aufklärung" läuft, spottet längst jeder Beschreibung.
Gesundheitliches
Halbwissen, Ernährungsirrtümer von Vorgestern oder unverhältnismäßige
Panikmache, sie alle laufen unter dem Begriff "Aufklärung". Und die
"Aufklärungen" prasseln nur so auf uns ein.
Ein besonders schönes Beispiel ist die Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die seit drei Jahren bei einem Budget von fünfzig Millionen Euro Deutschland mit Plakaten bepflastert, auf denen junge Menschen über die "Gefahren" des Saufens aufgeklärt werden sollen.
Was aber sind die Gefahren des Saufens? Natürlich, natürlich, Alkohol ist irgendwie "ungesund",
für die Leber usw. (außer bei Rotwein, der das absurderweise nicht sein
soll), wissen wir alle. Aber das Thema "ungesund" ist inzwischen ein so
weites Feld, das man damit niemanden mehr beeindrucken kann. Das kommt halt davon, wenn die "Aufklärung" inzwischen alles und jedes für "ungesund" erklärt, vom normalen Haushaltszucker über Kartoffelchips und Leberwurst.
Letztlich gibt es zwei Gefahren beim Thema Alkohol. Zum einen: Man kann eine lebenslange Sucht entwickeln, vor allem, wenn man noch jung ist. Zum zweiten: Alkohol ist ein tödliches Gift. Wer eine bestimmte Grenze überschreitet – und die ist bei jedem unterschiedlich hoch – kann daran sterben.
2008 kamen etwa 25.000 Menschen wegen Verdachts auf Alokoholvergiftung ins Krankenhaus. Diese Zahl ist angeblich steigend.
Das muss aber nicht heißen, dass mehr gesoffen wird. Es kann auch
bedeuten, dass die oft unterschätzten Gefahren einer Alkoholvergiftung
schneller erkannt werden und man Menschen, die man früher zum
"Ausschlafen" des Rauschs ins Bett geschickt hätte, heute ins
Krankenhaus bringt.
Nichtsdestotrotz sah man angesichts
der "Zahlen" die Zeit für gekommen, eine "Aufklärungskampagne" zu
starten. Und natürlich war diese Kampagne der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung ein "voller Erfolg". Bei den 18 bis 25jährigen stieg seit der Kampagne das sogenannte "Rauschsaufen" permanent an. Mit anderen Worten: Genau das, was die Kampagne bekämpfen wollte, hat zugenommen.
Fairerweise muss man sagen, dass das sogenannte "Komasaufen" bei den 12- bis 17-Jährigen rückläufig ist. Das ist es aber bereits seit 2007, der "Erfolg" setzte also schon zwei Jahre vor der "Kampagne" ein. Man muss nicht erwähnen, dass dies die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung natürlich nicht darahin hindert, sich diesen "Erfolg" auf die eigene Fahne zu schreiben.
Ansonsten lautet das Fazit: Es wird mehr gesoffen. Das muss nichts mit der Kampagne zu tun haben. Vielleicht aber hat es ja doch etwas damit zu tun, dass die Bilder der Kampagne – junge, hippe Menschen trinken Alkohol – nicht wirklich abschreckend sind.
Während nämlich gesellschaftliches Trinken bei normaler Alkoholwerbung
nicht gezeigt werden darf, weil man sich des Werbeeffekts solcher
Bilder sehr wohl bewusst ist, beglückt uns nun genau diese
Aufklärungskampage mit solchen Bildern. Bilder sind immer stärker als Texte.
Vor allem dann, wenn diese Texte nicht viel hergeben und als einzige
große Gefahr schildern, dass man sich im betrunkenen Zustand schnell daneben benimmt.
Denn genau das ist es. Das ist laut Kampagne die Alkoholgefahr. Sie lautet schlicht gesprochen: Männer werden zu Raufbolden, Frauen werden zu Huren.
Was eine echte Kampagne sein will, das hat natürlich nicht nur Plakate. Natürlich druckt man da auch Aufklärungs-Broschüren. Und eine solche gibt es natürlich auch hier. Ich möchte nicht wissen, an wie vielen Jugendeinrichtungen und Schulen diese Broschüre verteilt wurde. Darin enthalten sind abschreckende "Erfahrungsberichte" mit Alkohol. So schildert die "18jährige Jana" auf Seite 11 dieser Broschüre etwas geradezu Haarsträubendes: "Eine
Freundin von mir hatte vor Kurzem ein blödes Erlebnis. Sie hatte zu
viel getrunken und hat dann mit einem Typen rumgemacht, den sie gar
nicht mag und auch nicht attraktiv findet. Nüchtern hätte sie das nie
gemacht."
Gibt es eine deutlichere Botschaft an junge Männer, Frauen abzufüllen, damit sie "willig" werden? Warum nicht als Überschrift ein "Besoffen hüpfen Mädchen mit jedem ins Bett!"? Und sorry, wenn ich das so politisch unkorrekt sage,
aber wirken die "nüchternen" Jungs oben auf dem "Aufklärungsplakat" im
Vergleich zu den besoffenen nicht irgendwie ein bisschen schwul?
Oder hat da die Aufklärungszentrale die "abschreckenden" Bilder
vertauscht? Sind diese harten Jungs, die sich nüchtern gerne mal sportlich austoben, im besoffenen Zustand solche, die anfangen zu "experimentieren"?
In der "Aufklärungs-Broschüre" gibt es sogar noch - zur endgültigen Abschreckung - eine Kalorientabelle. Darin erfährt man, dass ein Glas Wein sage und schreibe 68 Kalorien hat, ein Glas Sekt sogar 80! Na, da trinken wir doch lieber Cola oder Bubble-Tea, um in Stimmung zu kommen und um gleichzeitig schlank zu bleiben, nicht wahr? Oder wir essen Schokolade. Eine Tafel hat übrigens demnach so viel wie zehn Gläser Wein. Absolutely shocking!
Ehrlich: Wenn man nach drei Jahren Aufklärungskampagne dieser Art nun einen deutlichen Anstieg des Saufens bei jungen Menschen feststellt, muss ich mich sehr wundern. Ich hätte damit gerechnet, dass die Zahl der jungen Säufer sprunghaft ansteigt.
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"aber wirken die "nüchternen" Jungs oben auf dem "Aufklärungsplakat" im Vergleich zu den besoffenen nicht irgendwie ein bisschen schwul?"
AntwortenLöschenDaran musste ich auch denken als ich nur die Überschrift und das Bild betrachtet habe (ohne den Text zu lesen). Dachte es ging um Aufklärung für schwule Jugendliche.
Jene, die dieses Plakat gemacht haben, müssen ECHT wissen, wie männliche Jugendliche ticken! :-)
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