Dienstag, 1. September 2009

Die Urlaubsdiät Teil 3 - Spieglein, Spieglein...

Was (alte wie junge) Menschen zu wenig an Muskulatur haben, gleichen sie fatalerweise oft durch ein zu viel an Fett aus. Leider ist der menschliche Körper darauf geeicht, Fett so schnell wie möglich aufzubauen und "unnütze Muskulatur" (das sind Muskeln, die nicht benutzt werden) abzubauen. Für das Entstehen von "Übergewicht" gibt es viele Ursachen. Darüber kann man lange reden. Letztlich aber hilft es wenig, wenn das ungewollte Fett erst einmal da ist.

Also wird so mancher - wie auch ich kürzlich - den Vorsatz fassen, dieses überflüssige Fett loszuwerden. Was man gemeinhin als "Abnehmen" bezeichnet, heißt eigentlich: Verminderung des Körperfetts.

Inwieweit man damit Erfolg hat, verrät einem blöderweise nicht die Waage. Wie Susie Orbach in ihrem "Antidiätbuch" so treffend meint: "Mit Waagen wiegt man Fische, nicht Menschen." Vielleicht sollten sich die Menschen diese Spruch über den Badezimmerspiegel hängen.

Daher kann ich auch immer nur unverständlich mit den Schultern zucken, wenn mich jemand nach meinem Gewicht fragt. Wieso sollte mich mein Gewicht interessieren? Ich habe schon spindeldürre, sehnige Muskeltypen gekannt, die 90 Kilo auf die Waage brachten. Und ich kannte auch schon träge Fettklopse, die sich freuten, weil die Waage wieder mal unter die 80er-Marke gerutscht ist.

Die Hose ist ein besserer Indikator, aber auch nicht wirklich zuverlässig. Bei jeder neuen Schmarren-Diät isst man in der Regel weniger, weil das Junkfood wegfällt und weil auf dem normalen Teller kalorienärmere Bestandteile landen, die nicht so recht schmecken, weshalb man nur zu gerne auf den Nachschlag verzichtet. Die Folge: Der Magen wird kleiner. Juhu, die Hose geht wieder zu. Und den Gürtel kann man ein Loch enger schnallen. Was für ein Erfolg!!!

Nur das Fett, das ist noch da, bis aufs letzte Gramm. Deswegen jammern auch viele, wenn ihre neueste Diät nach zwei Wochen komischerweise auf der Waage keinen Erfolg mehr zeigt. Klar. Der Magen ist kleiner, es ist etwas weniger Wasser im Körper, der Körper hat sich fleißig beim Muskeleiweiß bedient und Muskulatur abgebaut... Das merkt man auf der Waage und an der Hose. Und jetzt macht der Körper normal weiter.

Da ist für viele dann der Punkt gekommen, mal eine Pause zu machen. "Man soll ja eh nicht so schnell abnehmen." So heißt es dann immer. Mir hat übrigens noch niemand erklären können, warum man nicht schnell abnehmen soll. Würde man bei einer Erkältung sagen: "Werde gesund, aber nicht zu schnell, du weißt ja, wenn man zu schnell gesund wird, wird man auch schnell wieder krank!" Oder wie wäre es damit: "Werd nicht zu schnell reich. Wer schnell reich wird, ist auch schnell wieder arm!" Nö, einen derart kompletten Schwachsinn würde man kaum sagen. Beim Abnehmen aber hört man diesen Spruch immer wieder, und wenn man nachfragt, was denn der Blödsinn soll, faseln die Leute irgendwas vom Jojo-Effekt. Und wenn man keine Ruhe gibt und wissen will, was denn der "Jojo-Effekt" damit zu tun haben soll, dass man langsam abnehmen soll, sind die Leute beleidigt, denn dass man nicht schnell abnehmen soll, das "weiß doch jeder"! Meist kommt dann noch die böse Warnung: "Mach, was du willst, du wirst schon sehen!!!"

Zurück zum Thema: Egal, ob man nun "schnelle" oder "langsame Erfolge" auf der Waage verbucht hat, nach der überraschenden Diät-Stagnation erkennen die Leute, dass sie sich doch auch mal "was gönnen" müssen. Danach geht es zwar wieder "leicht" mit dem Gewicht rauf (keine Sorge, diesmal ist es Fett), aber das ist ja eh "normal" und "immer so". Und schließlich zählt ja eh die "Gesamtbilanz".

Das ist das Schöne an der Waage. Sie redet einem nicht-existente Erfolge ein, die man dann gleich mit dem nächsten Gewichtszuwachs feiern kann. Und sie verschleiert, dass eine Diät einen dicken Menschen immer dicker macht.

Auf diesen Mechanismus wollen auch professionelle Institute nicht verzichten. Der Wunsch, Fett loszuwerden, ist zum rentablen Geschäftsfeld geworden. Doch egal, ob all diese Scharlatane irgendwelche Süppchen, Entschlackungskuren oder obskure Punkte-Systeme verkaufen, sie stellen die Leute erst einmal auf die Waage und faseln was von BMI. Der BMI ist irgendeine willkürliche Formel, bei der man glaubt, von der Körpergröße auf irgendein Idealgewicht schließen zu können. Genauso könnte man die Länge der Nase in Relation zum Gewicht setzen, die Idiotie wäre die gleiche. Aber solange man etwas als "Formel" verpackt, wirkt es wissenschaftlich und wird nicht mehr hinterfragt.

Dabei wäre es technisch - wenn man schon vorgibt, Profi zu sein - gar kein Problem, bei den Kunden erst einmal den Fett- und Muskelanteil zu messen. Und dann kann man sagen: Aha! 40 Kilo Fett! Wie viel wollen sie davon loswerden? Die 16 Kilo Muskeln sollten nämlich bleiben. Oder wollen wir da nicht vielleicht ein bisschen mehr? 18 Kilo vielleicht?

Natürlich misst niemand den Anteil von Muskeln und Fett. Genauso wie niemand auf die Idee kommt, dem Fett generell keine Beachtung zu schenken und sich erst einmal den Zustand der Muskulatur anzusehen.

Würde man das unliebsame Fett messen, würde die zahlungswillige Kundschaft ja viel zu schnell feststellen, dass all die Süppchen, all die Entschlackungstees und all das Beachten von Punkten gar nichts gebracht hat. Sie würden vielmehr sogar vermeintliche Erfolge durchschauen. Sie würden plötzlich schwarz auf weiß sehen, dass nicht das Fett, sondern die Muskulatur weniger geworden ist.

Selbst der neueste Diät-Woodoo, der unter dem Begriff "Metabolic Balance" die Runde macht und bei dem abnehmwillige Menschen zunächst weder Fett, Muskeln noch Wasser verlieren, dafür aber stolze 350 Euro, misst nicht den Fettanteil der "Kundschaft". Dafür gibt es einen mehr als fragwürdigen "Lebensmittelverträglichkeitstest", für den man den Leuten Blut abnimmt. Aber die Fettmessung, die unterbleibt.

Inzwischen gibt es Körperanalysewaagen. Eine gute Idee, leider taugen diese nichts. Tests ergeben immer wieder, dass die Ergebnisse eher dem Zufall als der Realität entsprechen. Man kann also nur dringend davon abraten, seine eigene Erfolgsbilanz einer solchen Maschine entnehmen zu wollen.

Letztlich gibt es nur einen Indikator. Den Spiegel. Und der zeigt auch, dass sowas wie schnelles Abnehmen nicht drin ist, da brauchen irgendwelche schlauen Ernährungsratgeber gar nicht groß betonen, man solle doch "langsam" abnehmen. Der Spiegel offenbart einem gnadenlos, ob Fettpölsterchen noch da sind oder nicht. Meist sind sie halt leider noch da, weshalb der Spiegel als Kontrollinstanz auch nicht sehr beliebt ist.

Eine völlig neue Erkenntnis ist das ja nicht. Bodybuilder haben den Spiegel längst als Kontrollinstanz erkannt. Die wissen genau, dass die Waage ihnen nicht hilft. (Vielleicht macht es denen auch mehr Spaß, in so einen Spiegel hineinzusehen.)

Spätestens jetzt wird so manch einer, der das hier liest, frustriert sein. Was denn? Keine Waage? Keine "ich habe heute wieder ein Pfund abgenommen!"-Frohbotschaft? Nur ein blöder Spiegel, der einem im Grunde nur sagt: Nix sieht man. Gar nix! Der einem so blöd kommt wie der Arbeitskollege, der nach dem 5-Kilo-Waagenerfolg fragt: "Und? Merken Sie schon was?" Und dem man dann am liebsten ins Gesicht schreien würde: "Klar! 5 Kilo!!! Sieht man das etwa nicht?" (Wobei der Kollege, wenn er ehrlich wäre, sagen müsste: "Nö, ich sehe nichts. Sie sind nur etwas gereizter geworden in letzter Zeit, das ist alles, was mir bislang aufgefallen ist.")

Ich weiß: Ich bin gemein. Die Waage ist der Freund des Dicken. Das Punktezählen ist der Freund des Dicken. Wenn man schon nicht mehr so viel essen darf, will man doch wenigstens in Gedanken stets beim Essen sein. Dafür ist so eine Idiotie wie "Punktezählen" geradezu ideal!

Ich habe mich oft gefragt, warum viele dicke Menschen - die ja offenbar gerne essen - lieber eine Diät machen, also Essensverzicht üben, als sich sportlich zu betätigen. Wieso ist die Abneigung gegen den Sport höher als die berechtigte Angst, auf seine Lieblingsspeisen zu verzichten zu müssen?

Vielleicht, weil man es Sport nennt? Wäre denkbar! Sport, dieses grauenvolle Unterrichtsfach aus der Schule, für jedes (und wirklich für JEDES) dicke Kind ein Hort der psychischen Folter? Was dort die Mitschüler an Demütigungen nicht erledigen, besorgen dann meist irgendwelche völlig unsensiblen Sportlehrer, denen im Verlauf ihres Lebens wohl so mancher Fußball zu viel gegen die Stirn geprallt ist. Wie wäre es, wenn es nicht Sport wäre, sondern zum Beispiel "bügeln" oder "Fenster putzen". Kaum jemand tut das gerne, aber wenn ich sagen würde: Zwei mal die Woche 30 Minuten bügeln oder Fenster putzen, und du kannst deine Lieblingsspeise essen... Da würden doch die meisten ja sagen, oder?

Aber das allein reicht nicht. Ich denke: So eine Diät verbindet mit dem Essen. Daher sind Diäten so beliebt. Daher stürzen sich die Dicken immer wieder auf Diäten. All das Punktezählen, die neuen Rezepte, all die Thesen über "gesundes Essen" haben doch zur Folge: Es dreht sich der ganze Tag ums Essen. Ich kenne Leute, die sich zu Hause aufwendig irgendwelche Speisen zubereiten, die sie am nächsten Tag im Büro essen können. Oder die detaillierte Statistiken erstellen, um ihre angeblichen "Erfolge" zu verfolgen. All die Zeit wäre so viel sinnvoller in ein bisschen Muskeltraining investiert. (Und dann bliebe wahrscheinlich noch Zeit übrig, anstelle eines Diätbuchs ein wirklich "gutes" Buch zu lesen. Schließlich will der Gehirnmuskel ja auch mal trainiert werden...)

Aber nein. Die Leute wollen ihre Kalorien und Punkte. Wenn man schon kein Fett verloren hat, will man doch wenigstens stolz verkünden, irgendwelche Punkte oder Wasserkilos eingespart zu haben. Und das nehme ich jetzt weg. Da wird mir so manch einer mit der bockigen Tour kommen: Warum soll man das Fett überhaupt loswerden? Das sind doch alles nur doofe Modediktate, Ausprägungen des aktuellen Schlankheits- und Schönheitswahns! Und überhaupt gibt es doch die frohen Dicken! Und ich bin dick und glücklich!!!

Und ich sage: Leider gilt: Fett bewirkt das Gegenteil von Muskeln!

Muskeln geben Energie und steigern die Libido. Fett raubt Energie und vermindert die Zeugungsfähigkeit bzw. erhöht die Unfruchtbarkeit. Muskeln stärken die Gelenke. Fettleibigkeit schädigt die Gelenke. Muskeln steigern das Selbstvertrauen. Übergewicht hat oft fatale psychosoziale Folgen.

Und vielleicht wird mancher sagen: "Okay okay, bin überzeugt, wäre ich das nicht, hätte ich den ellenlangen Text bis hierher ja eh nicht gelesen. Nur hilft mir das nicht bei der Frage: Wie wird man dieses blöde Fett denn nun los? Von mir aus auch ohne Waage!"

Dazu mehr im nächsten Teil...

2 Kommentare:

  1. Vielleicht kann ich eine plausible Erklärung abgeben, wieso man nicht schnell abnehmen sollte und wieso das zum sogenannten Jojo-Effekt führt. Im Grunde gibst du nämlich selbst die Erklärung hierzu:

    Wenn man schnell "abnimmt", sprich mit einer Frauenzeitschriftdiät das Gewicht kurzfristig reduziert, verliert man erst Mal Wasser und Muskelmasse. Und genau da liegt der Hund begraben. Denn wenn man Muskelmasse verliert, sinkt damit auch der Grundumsatz, weil - wie du schon geschrieben hast - Muskeln Energie brauchen.

    Wenn man aber weniger Muskeln hat nach einer Frauenzeitschriftdiät, dann wird man danach auch weniger Kalorien brauchen. Wenn man dann also wieder "normal" isst, also so wie vor der Frauenzeitschriftdiät, dann nimmt man automatisch mehr Kalorien zu sich, als man braucht. Und die werden dann gleich mal in Fett angelegt. Was zur Folge hat, dass man kurze Zeit nach einer Frauenzeitschriftdiät höchstwahrscheinlich etwas mehr wiegt als vorher. Das ist der Jojo-Effekt.

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  2. Gerade beim langsamen Abnehmen kann ich meine Muskulatur abbauen. Das hat nichts zu sagen. Und wenn man wirklich Fett verbrennt, ist es egal, ob man das schnell oder langsam tut.

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