Montag, 6. August 2012

Hesse

Vielleicht von ein paar Reisebeschreibungen abgesehen habe ich alles von Hermann Hesse gelesen. Da sich nun sein fünzigster Todestag (9.8.62) nähert, hat die Zeitschrift "Spiegel" dem Schriftsteller ihren Titelbeitrag gewidmet.

Noch vor einigen Jahren wäre das für mich ein willkommener Anlass gewesen, loszueilen und mir das Heft zu holen. Und ich will gar nicht ausschließen, dass ich das nicht noch tun werde. Aber es reizt mich im Moment kein bisschen. Der Grund: Ich verspreche mir von dem Beitrag rein gar nichts.

Tue ich das, weil ich mir einbilde, über Hermann Hesse ohnehin schon alles zu wissen? Ganz sicher nicht. Bestimmt wird auch dieser Beitrag mit ein paar interessanten Fakten glänzen, die der Autor ausgegraben hat.

Ich verspreche mir von dem Beitrag wenig, weil ich inzwischen ein Muster erkenne, wie die Autoren beim "Spiegel" ticken. Mit leicht ironischem Ton wird sich der Autor – so meine Vermutung – über alle erhöhen. Über Hesse, über seine unkritischen Fans und über seine fanatischen Kritiker. Unterschwellig wird er den Hesse-Kritikern einen Mangel an Jugendlichkeit, den Hesse-Fans einen Mangel an Reife und Hesse selbst ein mangelhaftes Gespür für Kitsch unterstellen. Und über allem thront dann der Schreiberling, der das alles von einer göttlichen Perspektive beobachtet, durchschaut und kommentiert.

Und genau diese Selbstüberhöhung ödet mich inzwischen so an. Da werden uralte Phrasen und seit Jahren kursierende "Erkenntnisse" wiederholt, obwohl nichts davon in der Lage ist, das Phänomen Hesse zu erklären. Und durch die ironische Überhöhung, durch das schmunzelnde Betrachten und das Einstreuen provokanter Thesen tut man so, als würde man die Dinge besser "durchschauen". Dabei wird gar nichts durchschaut, es wird nur alles verzerrt, damit sich der Autor und der sich mit ihm verbündende Leser schlau und überlegen fühlen dürfen.

Und genau das langweilt mich mehr und mehr.

2 Kommentare:

  1. Und das alles, ohne den Artikel jemals vorher gelesen zu haben?
    Ich glaube, sowas nennt man ein Vorurteil!

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  2. Das Wort "Vorurteil" ist natürlich ein Killerargument. Man denkt dabei an Vorurteile gegenüber Ausländern, Blondinen, Vegetariern oder Hartz-IV-Empfängern. Und die sind natürlich abzulehnen.

    Hier sprechen wir aber von einem Zeitschriftenartikel. Und da funktioniert es nicht anders.

    Jeder wählt sich Filme aus, indem er sich bereits im Vorfeld das Urteil bildet, dass sie sehenswert sein könnten. Er wählt Romane aus, weil er im Vorfeld glaubt, sie könnten gut sein. Und natürlich lehnen wir Filme und Bücher aufgrund eines "vorab" gefällten Urteils ab. Wir entscheiden uns, sie nicht zu lesen. Diese Entscheidung fällen wir anhand spärlicher Infos. Wir kennen den Titel, vielleicht das Thema, vielleicht auch den Autor. Und wir entscheiden uns gegen die Lektüre, weil der Autor uns vielleicht schon mal enttäuscht hat, weil wir glauben, das Thema sei langweilig, oder auch nur, weil uns jemand davon abgeraten hat.

    Anderenfalls müsste wir alles und jedes lesen, das veröffentlicht wird. Wir müssten jeden Film ansehen, jede Serie verfolgen. Und zwar bis zum Ende, denn sie könnte ja plötzlich supergut werden.

    In dem Blogeintrag geht es nicht um den "Spiegel"-Artikel, darauf habe ich hingewiesen. Es geht um meine Erwartungshaltung. Es geht um meine eigene Verwunderung, einen Artikel, der mich vor wenigen Jahren noch brennend interessiert hätte, so skeptisch zu sehen. Hier hat sich in der Tat mein Eindruck hinsichtlich der Lesbarkeit von "Spiegel"-Artikel geändert. Und ich denke, das ist auch ein interessante Feststellung.

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Vielen Dank für Deinen Kommentar. Du musst Dich nicht registrieren oder einloggen. Genau aus diesem Grund aber muss ich den Kommentar erst prüfen. Das werde ich so schnell wie möglich tun und ihn dann freischalten.